Abschaffung Solidaritätszuschlag: Muster-Millionär spart jährlich rund 10.000 Euro
Durch den Wegfall des Zuschlags würden vor allem Menschen mit sehr hohen Einkommen entlastet. Unsere Beispielrechnung zeigt, dass die Abschaffung ein großer Rückschritt bei der Steuergerechtigkeit wäre.
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Bundesfinanzhof beurteilt aktuell die Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags
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Finanzminister Lindner will Rest-Soli abschaffen
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Durch den Wegfall spart der deutsche Mustermillionär jährlich rund 10.000 Euro und kann seinen Steuersatz noch weiter senken
Seit Anfang 2021 ist der Solidaritätszuschlag für rund 90 Prozent der Steuerzahler*innen entfallen. Rund 3,5 Prozent zahlen ihn noch teilweise. Aktuell wird die Ergänzungsabgabe nur auf hohe Einkommen erhoben. Zudem fällt sie bei Kapitalerträgen oberhalb des Sparerpauschbetrags von 1.000 Euro an sowie auf die Körperschaftsteuer, die von Kapitalgesellschaften zu entrichten ist.
Die Komplettabschaffung konnte die FDP in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen. Ob der Zuschlag dennoch entfallen muss, weil er nicht verfassungsgemäß ist, überprüft aktuell der Bundesfinanzhof (BFH).
Hintergrund: Geklagt hat ein Ehepaar aus Bayern gegen ihren Steuerbescheid aus dem Jahr 2020. Die Kläger vertreten die Auffassung, dass die Grundlage des Zuschlags mit Auslaufen des Solidarpakts II Ende 2019 entfallen sei. Bei dem Verfahren muss das höchste deutsche Steuergericht nun klären, ob die Erhebung des Zuschlags seit dem Jahr 2020 verfassungsgemäß ist. In einem zweiten Schritt muss entschieden werden, ob die Weitererhebung für nur rund 10 Prozent der Sterzahler*innen gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstößt. Im Juli 2020 wies das Finanzgericht Nürnberg in der vorhergehenden Instanz die Musterklage zunächst ab, da es unter anderem die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kläger nicht teilte. Wegen der alleinigen Verwerfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) kann der BFH die Soli-Regelung allerdings nicht selbst für verfassungswidrig erklären. Hat er Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit, muss er das Verfahren dem BVerfG zur Prüfung vorlegen. Dabei könnte das BVerfG die Soli-Weiterhebung seit 2020 wegen Verstoßes gegen das Grundgesetz für nichtig erklären. Eine andere Möglichkeit wäre, dass es die Soli-Regelungen für unvereinbar mit dem Grundgesetz hält. Im ersten Fall (nichtig) treten die Regelungen dann rückwirkend außer Kraft, im zweiten Fall (unvereinbar mit dem GG) würde die Erhebung des Solidaritätszuschlag ab einem vom Bundesverfassungsgericht bestimmten Stichtag für die Zukunft entfallen. Eine Entscheidung des BFH wird Ende Januar erwartet (Aktenzeichen IX R 15/20).
Eigentlich sollte das Finanzministerium die Erhebung des Zuschlags vor dem Bundesfinanzhof an der Seite des beklagten Finanzamtes verteidigen. Das zumindest entschied Olaf Scholz in seiner ehemaligen Rolle als Finanzminister. Christian Lindner hat nun überraschend entschieden, dass sein Haus nicht an dem Verfahren teilnehmen wird. Einen solchen Rückzug gab es zuvor noch nie.
Lindner hatte bereits im vergangenen Jahr in der Koalition durchgesetzt, dass die Einkommensteuergrenze, ab der der Zuschlag von 5,5 % anfällt, bis 2024 in zwei Stufen angehoben wird. Damit wollte er sicherstellen, dass weiterhin nur zehn Prozent den Soli ganz oder teilweise zahlen und nicht mehr Steuerzahler*innen aufgrund von Einkommenserhöhungen. Umgesetzt wurde die Erhöhung im Inflationsausgleichsgesetz.
Bis Ende letzten Jahres lag die Grenze bis zu der kein Zuschlag erhoben wird noch bei 16.956 Euro. In diesem Jahr liegt sie bereits bei 17.543 Euro und ab 2024 wird der Soli erst fällig, wenn die Einkommensteuer mehr als 18.130 Euro pro Jahr beträgt. Konkret bedeutet das, dass ein Single bis zu einen Bruttoeinkommen von rund 80.000 Euro im Jahr 2023 keinen Soli zahlen muss. Darüber wird er zunächst nur teilweise fällig (sog. Milderungszone). Erst bei einem Bruttoeinkommen jenseits von etwa 115.000 Euro werden die vollen 5,5 % Zuschlag fällig.
Da sämtliche Steuerbescheide seit dem Jahr 2005 im Hinblick auf den Zuschlag nur vorläufig ergehen, könnte ein Urteil, dass die Soli-Regelungen für verfassungswidrig erklärt, weitreichende Folgen haben. Sollte das BVerfG die Weitererhebung ab 2020 für nichtig erklären, müsste der Fiskus sämtliche Abgaben seit 2020 zurückzahlen. Würde das Gericht die den Soli hingegen für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklären, müssten die Richter einen eigenen Stichtag für das Auslaufen festlegen. Aber was würde eine (rückwirkende) Abschaffung für den konkreten Fall bedeuten?
Für unser Jahrbuch Steuergerechtigkeit 2023 haben wir die Steuer- und Abgabenquote eines Muster-Millionärs mit einem Jahreseinkommen von 1,6 Millionen Euro mit der Belastung eines Durchschnittsverdiener-Paares verglichen. Ergebnis: Sein effektiver Steuersatz betrug im Jahr 2022 nur 21 %. Während das deutsche Durchschnittspaar eine Steuer- und Abgabenquote von 43 % trägt, sind es bei der Familie des Muster-Millionärs nur 24 %.
Für das Paar mit dem Durchschnittseinkommen hätte die Soli-Abschaffung keine Auswirkung. Die Steuer- und Abgabenquote bleibt unverändert. Mit ihrem Bruttoeinkommen von 110.000 Euro liegt das Paar ohnehin deutlich unterhalb der Freigrenze. Unser Einkommensmillionär hingegen zahlt den Soli.
Hintergrund: Unser Muster-Millionär arbeitet im Familienunternehmen und bezieht ein Gehalt von 200.000 Euro. Außerdem erhält er eine Gewinnbeteiligung von 600.000 Euro, die er in der Familienholding hält. Eine Ausschüttung nimmt er nicht vor. Er besitzt zudem 40 Mietwohnungen, aus denen er etwa 200.000 Euro Mieteinkünfte erzielt, die er ebenfalls in der Familienholding anspart. Das in der Familienholding angesparte Vermögen hat er in Aktienfonds investiert, die eine durchschnittliche Rendite nach Kosten von 6 % erwirtschaften. Außerdem besitzt er noch eine mit 4 % verzinste Bundesanleihe (seit seiner Kindheit) und selbstgenutzte Immobilien, inklusive einer Studentenwohnung, die er in diesem Jahr mit einem Gewinn von 300.000 Euro verkauft. Dieser Veräußerungsgewinn ist steuerfrei. Insgesamt beträgt sein Einkommen 1.645.000 Euro. Seine Frau erzielt keine weiteren Einkünfte.
Zum einen wird die Abgabe fällig auf sein Gehalt aus dem Familienunternehmen und zum anderen auf seine Kapitaleinkünfte. Im Jahr 2022 musste der Millionär auf sein Gehalt von 200.000 (davon zu versteuern nach Abzügen 136.504 Euro) einen Solidaritätszuschlag von 564 Euro zahlen. Im Jahr 2023 wären es – ohne Gehaltserhöhung – durch die Anhebung der Freigrenzen nur noch 273 Euro. Da die tarifliche Einkommensteuer des Paares mit knapp 40.000 nur knapp über der Freigrenze und damit in der Milderungszone liegt, wird nur ein „Teil-Soli“ fällig. Die effektive Belastung seiner Arbeitseinkünfte würde nach Wegfall des Zuschlags statt 16,2 % noch 15,9 % betragen.
Auf seine Kapitaleinkünfte aus dem Familienunternehmen, seinen Anlagen und den Immobilieninvestments wurden insgesamt 8.519 Euro fällig. Mit dem Soli liegt die effektive Steuerquote seiner Kapitalerträge bei 21,9 %. Geht es nach Finanzminister Lindner und der Zuschlag entfällt, beträgt sie nur noch 21,3 %. Für die Gesamtbelastung seines Millioneneinkommens bedeutet der Soli-Wegfall auf die Einkommensteuer sowie auf die Körperschaftsteuer allein für das Jahr 2022 also eine Steuerersparnis von 9.083 Euro. Der effektive Steuersatz auf sein Einkommen von 1,6 Millionen Euro beträgt dann statt 21,2 % nur noch 20,6 %.
Der eher untypische Einkommensmillionär, der lohn- und einkommensteuerpflichtige Einkünfte von 1 Million Euro hat, also etwa ein Millionen-Jahresgehalt, würde durch die Soli-Abschaffung übrigens noch deutlich mehr sparen: über 20.000 Euro jährlich. Über 26.000 Menschen dürfte das aktuell betreffen,.
Im Jahr 2023 soll der Rest-Soli laut Steuerschätzung noch Steuereinnahmen von 12,5 Milliarden Euro einbringen. Eine Abschaffung ohne Integration in den Einkommensteuertarif wäre somit nicht nur ein Rückschritt bei der Steuergerechtigkeit, sondern auch ein nicht unerheblicher Einnahmeausfall.
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