Gerechtigkeits-Check März – Wir müssen reden!

Steuersenkungen für niedrige Einkommen – damit sich Arbeit mehr lohnt. Kindergrundsicherung – damit in unserem reichen Land nicht schon die Kleinsten abgehängt werden. Die Wunschliste an den Bundeshaushalt ist lang. Deswegen müssen wir dringend über Prioritäten reden. Das haben wir in den letzten Wochen und Monaten versucht – unter anderem bei Markus Lanz und bei ARD-Kontraste. Unser Mitglied ver.di fordert: “Ausgaben gerecht finanzieren”. Aber die Beiträge zeigen – das Thema ist komplex, das Unwissen groß und die Polarisierung hoch. Deswegen wollen wir grundsätzlicher werden. Dazu ist unser Mini-Bürgerrat ZUKUNFT:STEUERN an den Start gegangen. HIER können sich ab sofort alle die registrieren, die mitdiskutieren wollen. 

Vermögen, Erbschaften, hohe Einkommen

Französische Milliardäre zahlen nur 2 bis 3 Prozent Steuern: EU-Abgeordnete fordern globale Vermögensteuer

Im Kampf gegen wachsende soziale Ungleichheit und für notwendige Investitionen in den grünen Wandel braucht es eine progressive Steuer auf die Vermögen der Superreichen auf internationaler Ebene. In einem gemeinsamen Aufruf fordern die EU-Parlamentarierin Aurore Lalucq und der Ökonom Gabriel Zucman die EU sowie die OECD und die Vereinten Nationen auf, eine Vermögensteuer nach dem Vorbild der globalen Mindesteuer zu erarbeiten. Die Initiatoren schlagen dabei einen Steuersatz von 1,5 Prozent für Vermögen ab 50 Millionen Euro vor. Mehr als 130 Mitglieder des EU-Parlaments unterstützen die Kampagne.

Der Forderung liegen neue Berechnungen von Ökonomen der Paris School of Economics zum Steuersatz der 370 reichsten Haushalte in Frankreich zugrunde: Frankreich sei zwar für seine hohen Steuern bekannt, für die Superreichen liegt der effektive Steuersatz aber nur bei etwa zwei bis drei Prozent. Pro-Publica hatte bereits im Jahr 2021 ähnliche Zahlen für die USA vorgelegt.

Dass auch Deutschland ein Niedrigsteuerland für Superreiche und Kapitalerträge ist, zeigen unsere Berechnungen zum Steuersatz des typischen deutschen Einkommensmillionärs. Nach Abzug der Unternehmenssteuer liegt auch hierzulande der effektive Steuersatz nur bei rund zwei bis drei Prozent. Das liegt vor allem daran, dass nur ein kleiner Anteil der Einkünfte von Hochvermögenden (höher besteuerte) Arbeitseinkünfte sind. Zudem werden Erträge aus Immobilien, die typischerweise Teil des Portfolios von Superreichen sind, aufgrund zahlreicher Steuerprivilegien niedriger besteuert. Hinzu kommt, dass die Unternehmensgewinne nach Abzug der Unternehmenssteuern nahezu steuerfrei in einer Holding-Gesellschaft angespart werden. Zudem zahlen Vermögende durch die Beitragsbemessungsgrenze bei den Sozialversicherungen nur auf einen kleinen Teil der Einkünfte Abgaben. Rechnet man die Besteuerung auf Unternehmensebene und die Sozialversicherung hinzu, liegt der Satz bei 24 Prozent. Das Durchschnittsverdiener-Paar zahlt hierzulande hingegen 43 Prozent Steuern und Abgaben. Übrigens: auch der britische Premier kommt laut seiner vor kurzem veröffentlichten Steuererklärung auf 22 Prozent. Vor allem weil er auf Veräußerungsgewinne von 1,6 Millionen Pfund nur 20 Prozent Steuern zahlte.

Weitere Nachrichten:

  • Neue Studie zum Einfluss der Schweizer Vermögensteuer auf die Vermögensungleichheit zeigt: Eine Senkung des Steuersatzes um 0,1 Prozent steigert den Vermögensanteil des reichsten Prozents der Bevölkerung um 0,9 Prozent. Die Steuersenkungen der letzten fünfzig Jahre erklären 18 Prozent des Anstiegs ihres Vermögensanteils.
  • Seit 1997 ist die Vermögensteuer in Deutschland ausgesetzt. Das Grundgesetz verbietet die Erhebung nicht, es sieht sie ausdrücklich vor, so das Ergebnis eines neuen Rechtsgutachtens des Verfassungsrechtlers Alexander Thiele im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung. Angesichts der großen finanziellen Aufgaben ist die Steuer verfassungsrechtlich gut begründbar. Zudem hat die soziale Ungleichheit in Deutschland ein Ausmaß erreicht, das eine Vermögensteuer nicht nur politisch, sondern auch verfassungsrechtlich nahelegt. Eine Zusammenfassung der wesentlichen Argumente und Ergebnisse Thieles gibt es HIER.

Deutsches Steuersystem

Drei Studien zu ökologischen Steuern: Zeit für die (steuerliche) Zeitenwende

Die Investitionsbedarfe für die ökologische Transformation sind groß. Gleichzeitig belasten die Folgen des Klimawandels schon heute die öffentlichen Haushalte. Gleich drei neue Untersuchungen beschäftigen sich mit Ansatzpunkten für eine klimagerechte Steuerpolitik. Die Ergebnisse im Überblick:

  • Finanz- und Klimapolitik dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern müssen sich ergänzen. Allerdings bremst die Finanzpolitik die Klimapolitik bisher an vielen Stellen aus. Umweltschädliches Verhalten wird aktuell zu wenig besteuert und zu stark subventioniert, so das Ergebnis einer Analyse des Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. ➡ Lösung: Ein Mix aus neuen Umweltsteuern, dem Abbau klimaschädlicher Subventionen (u.a. Dienstwagenbesteuerung, ermäßigter MwSt-Satz für tierische Produkte, Dieselprivileg, Entfernungspauschale) und höheren öffentlichen Investitionen in den Kilmaschutz.
  • Das reichste Prozent der Deutschen hat pro Kopf den 20-fachen CO2-Verbrauch von Menschen der ärmeren Hälfte der Bevölkerung. Letztere sind jedoch stärker vom Klimawandel betroffen. Für Klimaschutz ist CO2-Bepreisung allein nicht genug, so eine weitere Studie der Bertelsmann Stiftung. ➡ Lösung: Effektiver Klimaschutz muss die Vermögensungleichheit adressieren – etwa durch eine stärkere Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen (Klima-Soli) und eine progressive Besteuerung von klimaschädlichem Konsum. Eine Klimakreditkarte für den Grundbedarf und eine Klimadividende sollen für den nötigen sozialen Ausgleich sorgen.
  • Das Konzeptwerk Neue Ökonomie zeigt in einem Dossier – mit unserer Unterstützung – den Weg zu einer sozial-ökologischen Steuerpolitik auf. Auch hier ist der Tenor eindeutig: Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit müssen zusammengedacht werden. Die Steuerpolitik muss Ungleichheiten adressieren und Lenkungswirkungen nutzen. ➡ Lösung: Neben dem Abbau klimaschädlicher Subventionen, ist die Wiedererhebung der Vermögensteuer sowie eine Reform der Erbschaftsteuer ebenso dringend notwendig wie eine Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung und eine konsequente Übergewinnsteuer.

Weitere Nachrichten:

  • Die Einführung des Klimageldes wird verschleppt: Obwohl das Klimageld im Koalitionsvertrag vereinbart wurde und das Finanzministerium bereits mit dem Jahressteuergesetz 2022 die Rechtsgrundlage geschaffen hat, fehlt es noch an der Festlegung zur Höhe und der Bestimmung des Auszahlungwegs. Weil das Klimageld aller Voraussicht nach nicht mehr in dieser Legislaturperiode kommt, sollte es eine Übergangslösung für einkommensschwache Haushalte geben, mahnt das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) in einem policy brief.
  • Im Streit um die geplante Kindergrundsicherung hat Familienministerin Paus einen neuen Finanzierungsvorschlagvorgebracht: Ein Teil der Kosten (ca. 12 Milliarden Euro) könnte durch die Absenkung der Kinderfreibeträge finanziert werden. Da der Freibetrag vom zu versteuernden Einkommen abgezogen wird, profitieren einkommensstarke Eltern davon stärker. So wird das Kind einer Reichensteuer-Familie durch den Freibetrag mit einer Steuerersparnis von 4.249 Euro gefördert, während das Kind einer gering oder normal verdienenden Familie lediglich das Kindergeld von 3.000 Euro erhält. Das DIW hatte bereits im Jahr 2021 vorgeschlagen, den überhöhten Anteil für Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf im Kinderfreibetrag deutlich zu senken. Dadurch wären Mehreinnahmen von bis zu 3,5 Milliarden Euro zu erwarten.
  • Gewinne aus dem Verkauf von Kryptowährungen sind vor Ablauf der einjährigen Haltefrist steuerpflichtig. Das entschied der Bundesfinanzhof (IX R 3/22). Die Richter konnten bei der Besteuerung von Bitcoin & Co kein strukturelles Vollzugsdefizit erkennen. Zudem hat das Gericht bestätigt, dass es sich bei der digitalen Währung um ein Wirtschaftsgut handelt und der Verkauf damit ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft darstellt.

Steuerverwaltung und Cum-Ex

Landesfinanzkriminalamt NRW soll große Fische fangen – wenn die Justiz mitmacht

Am 23. März verkündete der nordrhein-westfälische Finanzminister die Gründung eines Landesfinanzkriminalamts NRW zum Jahresende. Ihm zufolge bündelt es “die besondere Expertise und die erforderlichen Kompetenzen um landesweit schnell und effektiv gegen die “großen Fische” vorgehen zu können und ihnen das Handwerk zu legen“. Der Aufbaustab unter Dr. Dirk Günnewig hat jetzt die Aufgabe, ähnliche Bemühungen auf Bundesebene noch zu überholen und kann dabei immerhin auf knapp 600 Steuerfahnder*innen zurückgreifen. Vor kurzem hatte Steuerfahnderin Orths genau solch eine Behörde gefordert. Aber selbst wenn es dem Landesfinanzkriminalamt gelingen sollte, z.B. die Cum-Ex Fälle schneller und besser zu arbeiten, bleibt die Frage, ob die Justiz auch mitspielt.

In einer Dienstaufsichtsbeschwerde findet Ex-Justizminister Biesenbach dazu klare Worte: “Es besteht die Befürchtung, dass sowohl der Leiter der Staatsanwaltschaft Köln, Oberstaatsanwalt Joachim Roth, als auch der stellvertretende Oberstaatsanwalt Gunnar Greier die zuständige Hauptabteilung der Behörde weder stützen noch unterstützen, ja, sie sogar behindern und benachteiligen.” Und auch die, neben der Staatsanwaltschaft Köln, zweite zentrale Institution für die Aufarbeitung von Cum-Ex hat letzten Monat vor allem negative Schlagzeilen produziert: Der Beginn des Prozesses mit dem wohl größten öffentlichen Profil verzögert sich wohl signifikant. Im Prozess gegen den ehemaligen Vorstand und Miteigentümer der Hamburger Warburg-Bank, Christian Olearius, wurde der Vorsitzende Richter wegen Befangenheit abgesetzt. Er hatte sich eine Geheimakte angelegt, unter anderem mit internen Protokollen aus anderen Prozessen. Diese Akte war vom Gericht versehentlich an die Strafverteidiger geschickt worden. Als dies auffiel, versuchte man noch, die Verteidiger zum Löschen der übersandten Daten zu bewegen. Das wirft kein gutes Licht auf den Zustand des wichtigsten Landgerichts für Cum-Ex-Verfahren. Zumindest eine positive Nachricht gab es allerdings auch: Am Landgericht Bonn haben zwei weitere Cum-Ex-Prozesse gegen zwei weitere ehemalige Warburg-Mitarbeiter und einen Asset-Manager begonnen.

Besonders anschaulich kommentiert der Journalist Volker Votsmeier im Handelsblatt (ausführlicher im Podcast Handelsblatt Crime) die traurige Lage der Aufklärung in NRW: “Wir schreiben das Jahr 2038. Die Staatsanwaltschaft Köln schließt ihre letzte Cum-Ex-Akte. 25 Jahre sind seit dem Beginn der Ermittlungen im größten Steuerskandal der Republik vergangen. Die Taten liegen teils 33 Jahre zurück. Dieses Szenario ist kein Fiebertraum eines Angeklagten, sondern offizielle Erwartungshaltung der Justiz. Nordrhein-Westfalens Justizminister Benjamin Limbach hat gerade mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft für ihre 117 Verfahren noch 15 Jahre veranschlagt. 90 Prozent der Cum-Ex-Verfahren liegen in Köln.” Sein Fazit: “Das ist Gift für das Vertrauen in die Justiz.”

Weitere Nachrichten:

  • Die Verteidigung des als schwieriger Klient geltenden Hanno Berger bleibt eine Saga für sich: In Wiesbaden wollten die Verteidiger des Cum-Ex-Hintermannes sich wegen eines zerstörten Vertrauensverhältnisses entpflichten lassen, was das Gericht jedoch ablehnte. Für die Revision des ersten Prozesses vor dem LG Bonn, wo er zu acht Jahren Haft verurteilt worden war, holt er sich als weiteren Verteidigereinen ehemaligen Richter eben jener Kammer des Bundesgerichtshofs, die seinen Fall bald verhandeln wird.
  • “Fast die komplette ehemalige Vorstandsriege” des großen Bankhauses HSBC Trinkaus & Burkhardt wurde wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung durch Cum-Ex von der Staatsanwaltschaft durchsucht.
  • Norwegen eröffnet heute (28.3.) das „Skatteforsk – Centre of Tax Research“. Die Ankündigung liest sich vielversprechend: “By combining interdisciplinary experts from across the globe with unparalleled data access, we provide a forum for the trading of ideas on how to develop tax policies that ensure a fair and equitable society, both in Norway and abroad.” Die Leiterin auch: Annette Alstadsæter. Diesen Standortwettbewerb verliert das deutsche Netzwerk empirische Steuerforschung wohl, der FDP sei Dank.
  • Neues von den AirBnB-Daten: In 41 Fällen hat die Sondereinheit Steueraufsicht aus Karlsruhe bisher ein Mehrergebnis von 93.000 Euro festgestellt. Fast drei Jahre nach der Ankündigung der Datenübermittlung ein eher mageres Ergebnis, aber wohl erst der Anfang. Allein die Behörde aus Baden-Württemberg hat insgesamt 308 Kontrollmitteilungen an die lokalen Finanzämter verschickt.
  • Eine ausführliche Große Anfrage in Schleswig-Holsteinbeleuchtet auf 122 Seiten den Stand der dortigen Landesfinanzverwaltung. Sie zeigt auf der grundlegenden Ebene etwa, dass die Personaldecke lediglich bei 82,8 Prozent des Personalbedarfs liegt – 740 Stellen sind unbesetzt. Spannend sind die ausführlichen Erklärungen, welche die in vielen Verwaltungen deutlichen Schwierigkeiten und statistischen Anomalien durch die Corona-Pandemie erhellen wie Home-Office-Problematiken, verlängerte Abgabefristen und Umschichtung von Außenprüfungspersonal in den Innendienst.

Schattenfinanz und Geldwäsche

Das Zürich-Kartell wächst

Sie waren beide Kunden bei der Cum-Ex-Beratung von Freshfields. In den USA sind beide jetzt vorgeladen, um ihren Umgang mit sanktionierten Personen aus Russland darzulegen. Beraten durch Freshfields und mit viel Geld der Schweizer Steuerzahler wachsen UBS und Credit Suisse jetzt zum neuen Bankgiganten zusammen. Dass dabei laut Insidern eine kleine Gruppe von “Deutschschweizern, die sich seit Jahrzehnten kennen und die sich gegenseitig stützen und Geschäft zuschieben” in den Führungsriegen beider Banken ein- und ausgingen und durch ihre Fehlentscheidungen wesentlich zum aktuellen Desaster beigetragen haben, beschreibt der Spiegel ausführlich unter dem Titel “Das Ende der Zürich-Mafia” (€). Etwas irreführend, schließlich hat diese Mafia ihr Kartell ja gerade gewissermaßen formalisiert. In den USA sind. In der Schweiz werden unterdessen vor allem die anderen angeklagt: nämlich vier Banker des Schweizer Arms der Gazprombank, denen vorgeworfen wird, die Konten von Putins vermutetem Strohmann, Sergej Roldugin, nicht ausreichend kontrolliert zu haben. Das Kartell scheint also noch intakt.

Ein Kleinkrimineller aus Vietnam, seine 3-Milliarden-Waschanlage und die deutschen Server

Mindestens genauso spannend ein weiterer Fall: In einer 60-seitigen Anklageschrift beschreibt ein FBI-Ermittler, wie über den Krypto-Mixer “ChipMixer” Bitcoins im Wert von drei Milliarden US-Dollar gewaschen wurden. Das FBI konnte davon 185 Millionen US-Dollar zu bekannten darknet Konten zuordnen, 17 Millionen US-Dollar zu 37 Ramsomware-Attacken, 721 Millionen US-Dollar zu gestohlenen bitcoins zuordnen, ein privates Unternehmen hat für das FBI die Gesamtsumme berechnet. Auch der russische Geheimdienst und Hacker aus Nordkorea nutzten den Dienst. Der Gründer – ein Vietnamese, mit Abschluss aus Taiwan – nutzte falsche Identitäten, gestohlene Identitäten von 60-70jährigen, teilweise verstorbenen US-Amerikanern und fiktive Adressen u.a. aus Australien, Indien, Litauen, Polen und der Ukraine um Konten bei PayPal, Gmail, Yahoo, Apple, DorpBox, LinkedIn, Twitter oder ProtonMail zu eröffnen. Er bezeichnete Geldwäschebekämpfung als “crime made-up by governments that spy on their citizens”. Und: Er besorgte sich zwei Server bei der Hetzner Online GmbH und bezahlte den über seine PayPal Accounts. Das BKA hat sie mittlerweile ausgeschaltet. Seine richtige Identität hatten demnach u.a. Binance, bei dem der Verdächtige mehrere Krypto-Wallets unterhielt, Remitano, ein P2P Marktplatz über den bitcoins gehandelt wurde, und die Vietcombank, seine Bank aus Vietnam, erfasst. Mit seinem Apple-Account nutzte er eine Vielzahl von Online-Dienstleistern, auch hier war er mit eigenem Namen über die Post in Hanoi angemeldet. Allem Anschein nach also eher ein normaler Kleinkrimineller, der jahrelang bei seinen Dienstleistungen für die organisierte Kriminalität auf wenig Hindernisse stieß.

Unternehmenssteuern

Die Profit-Preis-Spirale und die nächste Klage gegen Gewinnabschöpfung

Anhand von Geschäftszahlen und Investorenpräsentationen zu verschiedenen Branchen und Unternehmen zeigt ein Papier von Isabel Weber: Viele Unternehmen haben das globale Umfeld von Preisunsicherheit genutzt, um vorsorglich ihre Preise zu erhöhen und so ihre Gewinnmargen zu sichern oder sogar zu steigern. Oder in den Worten vom CEO, General Mills Inc: “whenever you see this kind of broad-based inflation & it’s global, that’s an environment where you’re going to realize net pricing. … our retailers are seeing it, our competitors are seeing it, and we’re seeing it. And so, we will realize pricing”. Gegen die Profit-Preis-Spiralen empfiehlt die Studie eine gestärkte Marktüberwachung und schnelle Eingriffe in die Preisgestaltung in wichtigen Sektoren durch Preiskorridore und staatliche Reserven, die Beschränkung von Preissteigerungen in Krisen und Preiskontrollen sowie Steuern auf Krisengewinne. Wie schwer das sein kann, zeigt das deutsche Beispiel: mit mehreren Gutachten ist der Ökostromanbieter LichtBlick mit weiteren Unternehmen gegen die Gewinnabschöpfung im Strommarkt vors Karlsruher Verfassungsgericht gezogen. LichtBlick fordert eine “echte” Übergewinnsteuer, die nur tatsächlich erzielte Gewinne zusätzlich besteuert.

Weitere Nachrichten:

  • Die Mindeststeuer kommt: Auf 242 Seiten beschreibt ein kürzlich vom Bundesfinanzministerium veröffentlichter Diskussionsentwurf die Umsetzung der globalen Mindeststeuer und der entsprechenden EU-Richtlinie für Deutschland. Viele technische Details und zumindest auf den ersten Blick wenige Überraschungen: Der Teufel wird in den nächsten Monaten aber wohl im Detail zu suchen sein. Das zeigt auch eine aktuelle Analyse aus Österreich: Demnach hätte die Mindeststeuer rückwirkend 500-600 Millionen Euro pro Jahr eingebracht. Das ist bereits deutlich weniger als 2021 vom EU Tax Observatory geschätzt (3,1 Milliarden Euro). Ein wichtiger Grund dafür sind die Effekte der in letzter Minute eingeführten Substanz-Ausnahme. Weitere Verwässerungen und Anpassungsreaktionen sind dabei noch nicht mal eingepreist.
  • Zeitungsberichten zufolge ermittelt die Staatsanwaltschaft Mailand im Auftrag der Europäischen Staatsanwaltschaft gegen die Facebook-Muttergesellschaft Meta wegen des Verdachts auf Umsatzsteuerhinterziehung in Italien in Höhe von 870 Millionen Euro. Die zentrale Streitfrage ist, ob die kostenlose Registrierung bei Facebook als “Datenverkauf” umsatzsteuerpflichtig sein kann.
  • Mit schönen Grafiken zeigt Brad Setser pünktlich zum St. Patrick’s Day wie die Steueroase Irland die EU-Statistiken verzerrt: Demnach war Irlands Wachstum der letzten Jahre größtenteils Phantom-Wachstum und so hoch, dass es sogar die aggregierten Wachstumszahlen für die EU und vor allem die Statistiken zu IP-Investitionen und Dienstleistungs-Handel verzerrt.

Steuern und Entwicklung

UN veröffentlicht Stellungnahmen zum Tax Report 2023

Die UN hat knapp 90 Stellungnahmen zum für 2023 geplanten “Tax Report” veröffentlicht. Mit dabei u.a. die EU, Deutschland, die OECD, viele Mitglieder des UN Tax Committees, PWC und KPMG und natürlich auch einem gemeinsamen zivilgesellschaftlichen Beitrag. Der deutsche Beitrag betont die Erfolge der bestehenden Bemühungen, äußert starke Zweifel an der Notwendigkeit eines zusätzlichen UN Mechanismus und wünscht sich eine “kosteneffiziente” Lösung. Auch der gemeinsame Beitrag der EU-Staaten warnt vor konkurrierenden Bemühung, stellt sie aber interessanterweise in den Kontext “Vermögen fairer zu verteilen”.

Weitere Nachrichten:

  • Tom Cardamom (Global Financial Integrity) beschreibt für die Welthungerhilfe das Problem der intransparenten und illegitimen Finanzflüsse aus Sicht der Entwicklungsländer. Er wünscht sich Olaf Scholz als europäischen Anführer für mehr Transparenz in mehr als 5.000 Freihandelszonen (durch Best Practices), in den Häfen (durch Blockchain) und im Schiffsverkehr (durch Transparenzregister für Schiffe).

Hörens- und sehenswert

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