Gerechtigkeitscheck Juli – Ungemütliche Zeit für Milliardäre?

„Frankreichs Superreiche blicken gespannt auf den ersten Wahlgang am Sonntag. Für sie könnte es bald sehr ungemütlich werden – sowohl wenn die Rechtspopulisten als auch die Linksextremen die Wahl gewinnen.“ Das schreibt das Manager Magazin am 28.6.2024 unter dem Titel „Für Frankreichs Milliardäre wird es ungemütlich“. Und auch in Deutschland wird gerade ungewöhnlich intensiv über Superreiche und Vermögensteuer diskutiert.

Dass „ungemütlich” übertrieben war, hat Gabriel Zucman mit seinem Vorschlag für eine international abgestimmte Milliardärsteuer drei Tage vorher gezeigt. Im Gegenteil würde die zweiprozentige Steuer nur die in vielen Ländern bestehende Sonderbehandlung beenden und die auf historische Rekorde gestiegene Vermögenskonzentration abbremsen. Also eher ein Ende der übertriebenen Gemütlichkeit.

Dass eine solche Steuer gut zu Deutschland passt und hier so einfach umgesetzt werden könnte wie in wenigen anderen Ländern, haben wir drei Tage später mit unserer Analyse zur Steuerflucht gezeigt. Seit 1972 gibt es in Deutschland Maßnahmen gegen Steuerflucht, die seitdem schrittweise nachgeschärft wurden und seit 2022 den vorläufigen Höhepunkt ihrer Wirksamkeit erreicht haben. Nach unserer Analyse genießen aktuell noch knapp 90 Prozent der „deutschen” Milliardenvermögen die deutsche Gemütlichkeit, ließen sich also hier besteuern. Und selbst wenn es mit einer Milliardärssteuer weniger gemütlich werden würde, wäre die Wegzugsteuer auch ohne internationale Absprachen im Zweifel ungemütlicher. Susanne Klatten müsste zum Beispiel bei einem Wegzug schätzungsweise 6,5 Milliarden Euro zahlen.

Weitere Details zum internationalen Vorschlag und die wichtigsten Ergebnisse der Studie gibt es auch diesen Monat zum Nachlesen im Newsletter und zum Anhören in unserem Podcast Steuergerechtigkeit (jetzt auch auf Amazon Music; wie immer hier auf YouTube); diesen Monat gleich mit zwei weiteren Highlights: einer Podcast-Sonderfolge mit Christoph Butterwegge und in unserer regulären Podcastfolge dem ersten Auftritt unserer neuen Mitarbeiterin 米凯拉·阿尔卡*

*Aus der chinesischen Übersetzung des DW-Beitrags zu unserer Studie (Link zum Artikel bei der Deutschen Welle)

Unsere neue Mitarbeiterin

Michaela ist seit Anfang des Jahres beim Netzwerk Steuergerechtigkeit. Vorher hat sie bei einer Big 4-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Bereich International Tax gearbeitet. Sie will vor allem dazu beitragen, die Arbeit des Netzwerks noch bekannter zu machen und unterstützt uns mit ihrer steuerrechtlichen Expertise. Ihr erstes Interview zu ihrer ersten Studie fürs Netzwerk wurde direkt in Portugiesisch und Mandarin übersetzt. Glückwunsch zum gelungenen Einstieg.

+++Der nächste Schritt für eine international abgestimmten Milliardärssteuer+++Neue Studie: Der perfekte Moment für eine deutsche Milliardärssteuer ist jetzt+++Kein Platz für Steuersenkungen, auch nicht für versteckte Steuergeschenke+++200 Seiten steuerliche Wunschliste der Lobby des großen Geldes+++Das Zweite-Halb-Jahres-Steuergesetz+++Siegesserie für eine gerechtere Grundsteuer+++UN macht weiter, OECD hängt fest+++Fake News? Grüne blockieren angeblich Finanzkriminalitätsbekämpfung+++Einstellung des Olearius-Prozesses: Kein Skandal, aber böses Omen+++

Vermögen, Erbschaften, hohe Einkommen

Der nächste Schritt für eine international abgestimmte Milliardärssteuer

Im Auftrag der brasilianischen G20-Präsidentschaft hat Gabriel Zucman vom EU Tax Observatory einen Vorschlag für eine international koordinierte Vermögensteuer für Superreiche vorgelegt. Im Vergleich zum Global Tax Evasion Report aus dem Herbst 2023 (mehr dazu in unserer Analyse hier) ist wenig Neues enthalten, aber allein die Tatsache, dass die G-20 sich damit befasst, ist ein Durchbruch:

  • Der neue Bericht schätzt das Aufkommen für Steuersätze von 1 bis 3 Prozent auf das Vermögen aller Milliardäre (laut Forbes) sowie für Menschen mit einem Vermögen von mehr als 100 Millionen US-Dollar (laut World Inequality Database) auf 80 bis 688 Milliarden US-Dollar. Dafür rechnet er mit 20 Prozent Steuervermeidung und -hinterziehung.
  • Zucman argumentiert, dass auch Menschen mit Vermögen von mehr als hundert Millionen Euro stark von den Steuerprivilegien für Vermögenseinkommen profitieren.
  • Auf Grundlage der Forbes-Daten schätzt der neue Bericht die Rendite der Milliardäre nach Inflation auf 7,5 Prozent und nach Abzug von Konsum (0,1 Prozent) und Einkommensteuer (0,3 Prozent) auf 7,1 Prozent. Daraus schließt der Bericht, dass große Vermögen schneller wachsen als kleine.
  • Bei der errechneten Durchschnittsrendite entspräche eine Vermögensteuer von 2 Prozent einer zusätzlichen Steuer auf den Kapitalertrag von etwa 27 Prozent. Sie würde also nicht zum Abbau der riesigen Vermögen und Vermögenskonzentration führen, sondern deren Wachstum nur bremsen.
  • Basierend auf den Forbes-Daten und einer Extrapolation in die Vergangenheit schätzt der Bericht schließlich den Anteil der Milliardenvermögen am globalen BIP (von etwa 3 Prozent im Jahr 1987 auf etwa 13 Prozent im Jahr 2024) und den Anteil der im Ausland ansässigen Milliardäre (10 Prozent).

 

Schließlich betont der Bericht die Möglichkeit, die international vereinbarte Mindeststeuer durch jeweils zum nationalen Steuersystem passende Maßnahmen – von der Vermögensteuer über eine Mindest-Einkommensteuer bis zu Sollertrags- oder Kapitalertragsteuern – umzusetzen. Und er beschreibt die schon im Global Tax Evasion Report vorgeschlagenen Abwehrmaßnahmen von einer Wegzugsteuer über eine beschränkte Steuerpflicht bis hin zu einem „tax collector of last resort”.

Detaillierte Daten zum Bericht (zum Beispiel Milliardäre und Einnahmen nach Ländern aufgeschlüsselt) sind bisher nicht verfügbar, sollen aber noch veröffentlicht werden. Spannend wird vor allem aber die Position der G20, die Ende Juli darüber verhandeln wollen.

In der Zwischenzeit hat Stefan Bach in einem sehr interessanten Thread einmal für Deutschland nachgerechnet: Je nach Ausgestaltung und Datengrundlage könnte eine zweiprozentige Steuer in Deutschland 6 bis 30 Milliarden Euro einbringen. (Spiegel, €)

Neue Studie: Der perfekte Moment für eine deutsche Milliardärssteuer ist jetzt

Als Gegenargument gegen eine Vermögensteuer wird oft die angeblich unausweichliche Steuerflucht von Vermögenden genannt. Unsere neue Studie widerlegt diesen Mythos und zeigt, dass Steuerflucht in Deutschland fast unmöglich und ein Wegzug sehr teuer ist. Dafür sorgt ein 1972 verabschiedetes und schrittweise weiterentwickeltes Gesetz gegen Steuerflucht und verschärfte Maßnahmen gegen illegale Steuerhinterziehung. Passend zur internationalen Schätzung von Zucman zeigen wir in einer detaillierten Analyse der Milliardenvermögen, dass nur etwa 10 Prozent dieser Vermögen nicht mehr in Deutschland steuerpflichtig wäre. Für Susanne Klatten schätzen wir die Kosten eines Wegzugs auf 6,5 Milliarden oder rund 30% ihres Vermögens.

Weil in Deutschland die Vermögensteuer seit 1997 ausgesetzt ist, sind dem Staat nach unserer Schätzung mindestens 380 Milliarden Euro an Einnahmen entgangen (bzw. mussten Immobilienkäufer und Konsumenten über erhöhte Grunderwerbsteuer und Mehrwertsteuer entsprechend mehr für gleiche Gegenleistung zahlen). Entsprechend niedriger war aber auch der Druck auf die bestehenden Abwehrmaßnahmen und gegen deren schrittweise Stärkung. Gleichzeitig sind die Vermögen der hundert reichsten Deutschen seit 2001 um etwa 460 Milliarden Euro gewachsen. Der perfekte Moment für die Einführung der Milliardärssteuer ist also jetzt.

Zur Studie geht es hier.

Über die Studie wurde unter anderem in der SZ, in der taz und bei nd berichtet. Die Deutsche Welle hat die Ergebnisse in einem Podcast aufbereitet und ihren Artikel darüber sogar in brasilianisches Portugiesisch, Bosnisch und Mandarin übersetzt.

Weitere Nachrichten:

  • Die neue Einkommensteuerstatistik für das Jahr 2020 ist erschienen: Demnach ist die Zahl der Einkommensmillionäre trotz Corona von 2019 bis 2020 um 10 Prozent auf rund 29.345 gestiegen. Im Schnitt haben sie jeweils Einkünfte von rund 2,6 Millionen Euro. Unternehmensgewinne, die nicht ausgeschüttet werden, sondern im Unternehmen bleiben sowie ein Großteil der Dividendenzahlungen und Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften fehlen aber in der Statistik, genauso wie die Zinserträge.
  • Der neue Vermögensbericht von BCG ist da. Demnach gab es in Deutschland 2023 rund 3.300 Centimillionäre (+300). Das Vermögenswachstum war hierzulande wegen der schlechten Entwicklung der Immobilienwerte unterdurchschnittlich. Mehr als die Hälfte des weltweiten Vermögens gehört weiterhin Nordamerikanern. Wenn das nicht so wäre, wäre für jeden Weltbürger knapp 60.000 US-Dollar Vermögen da.
  • Spannende Steuertheorie: Der optimale Spitzensteuersatz steigt auf stolze 81 Prozent, wenn man Ungleichheit als negativen externen Effekt einberechnet.

Unternehmensteuer

Kein Platz für Steuersenkungen, auch nicht für versteckte Steuergeschenke

Auf Antrag der Union hat der Bundestag Ende Juni mal wieder über die Absenkung der Unternehmensbesteuerung auf 25 Prozent und die Abschaffung des Soli diskutiert, laut Antrag zur Stärkung der Attraktivität im globalen Standortwettbewerb. Ähnlich argumentierte auch der Rat der Wirtschaftsweisen – allerdings in den 90er Jahren. Und so argumentierte auch Frau Dr. Wünnemann vom BDI auf unserer gemeinsamen Diskussionsveranstaltung bei der FES am 6.6.2024. Darauf antwortete der Wirtschaftsweise Achim Truger, dass sich die Situation im Vergleich zu den 1990er Jahren geändert hat und vor allem angesichts ausgelasteter Kapazitäten Investitionsförderung mit der Gießkanne wenig Sinn macht. Parsa Marvi (SPD) trug diese Erkenntnis aus der Diskussion in den Bundestag. Und mit einer Ausnahme sahen das auch die am 8.7.2024 vom ifst versammelten Wirtschaftsprofessoren ähnlich.

Deutlich besser versteckt kommen deswegen die Steuersenkungsvorschläge der FDP daher. Die mit der Einigung zum Haushalt 2025 vereinbarte Wachstumsinitiative (bzw. das Dynamisierungspaket) sieht neben einigen einigermaßen gezielten Investitionsanreizen über Abschreibungen und Forschungsförderung und fragwürdigen aber immerhin befristeten Steuersenkungen für ausländische Fachkräfte teils absurde Steuergeschenke für den Finanzsektor und Venture Capital Fonds vor. In einem Nachsatz zu Punkt 29 soll beispielsweise das Betriebskostenabzugsverbot für die Bankenabgabe aufgehoben werden. Das größte Steuersenkungspotenzial versteckt sich aber hinter dem Verweis auf die zum Zeitpunkt der Haushaltsverhandlung wohl nur Christian Lindner bekannte 200-seitige Wunschliste der Unternehmenslobby in Punkt 16. (“Die Bundesregierung wird die für Juli erwarteten Vorschläge der Experten-Kommissionen „Vereinfachte Unternehmenssteuer“ und „Bürgernahe Einkommensteuer“ prüfen und bei positivem Ergebnis noch in diesem Jahr in einem Gesetzesvorhaben umsetzen.“)

Die 200-seitige Steuer-Wunschliste der Lobbyisten des großen Geldes

Nur eine Woche nach der Vereinbarung zur Wachstumsinitiative legte die Expertenkommission zur Unternehmensteuer am 12.7. ihre mehr als 200-seitige Wunschliste vor. Mitglieder in der Kommission waren die Steuer-Chefs großer Unternehmen (SAP, BASF, Diehl, Continental) und der reichsten deutschen Familie (Profunda/Böhringer Ingelheim), ihre Interessenvertreter (BDI, Steuerberaterkammer, Institut der Wirtschaftsprüfer) und sechs Professoren (4 Jura, 2 BWL), die sich vor allem auf ihre Steuerbelange spezialisiert haben. Kein Wunder also, dass die Forderung nach einer Steuersenkung auf 25 Prozent ganz vorne steht. Auch die Wegzugsteuer gegen Steuerflucht würde die Kommission am liebsten abschaffen und die EU-Abwehrmaßnahmen gegen Steuermissbrauch am liebsten aussetzen. Lediglich die Abschaffung der Gewerbesteuer und die Einführung einer Eigenkapitalverzinsung war der Kommission politisch zu schwierig oder zu teuer. Und nur bei der erweiterten Kürzung für Immobiliengesellschaften und den Veräußerungsgewinnen von privaten Immobilieneigentümern könnte sich die Kommission eine Verschärfung vorstellen, sah es aber nicht als ihr Mandat, die auch aus zu buchstabieren. Bleibt also die große Frage, was nach der Prüfung vor allem der vielen kleinen Veränderungsvorschläge durch die Bundesregierung umgesetzt wird. Selbst für den am 10.7. veröffentlichten Entwurf für das zweite Jahressteuergesetz kommen sie eigentlich zu spät. Vielleicht wäre es deswegen sinnvoll, die verbleibende Zeit und Energie auf die ebenfalls im Bericht vorgeschlagene gemeinsame Datenplattform der Finanzbehörden zu fokussieren. Dann wäre allen geholfen.

Verbrauchsteuern, Umwelt, Immobilien etc.

Das Zweite-Halb-Jahres-Steuergesetz

Am 5.6. hat das Kabinett das Jahressteuergesetz 2024 verabschiedet. Nur einen Monat später legte das Ministerium von Christian Lindner noch ein zweites Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024 II) nach. Nach unseren Recherchen ein bisher einmaliger Vorgang. Erst recht angesichts der Tatsache, dass Wachstumsinitiative und Expertenkommissionen gerade den Grundstein für mindestens noch ein drittes gelegt haben.

Neben der sehr teuren Inflationsanpassung (-7 Milliarden Euro für 2025) enthält das Gesetz drei im Koalitionsvertrag vereinbarte Maßnahmen:

  • Die Abschaffung der Steuerklassen 3 und 5 – bei der sich unterm Strich und vor allem an der Ungerechtigkeit des Ehegattensplittings nichts ändert, die aber trotzdem schon für große Aufregung gesorgt hat
  • Die nationale Meldepflicht für Steuergestaltungen – die die Unternehmenslobby-Kommission nochmal explizit abgelehnt hat, die bei vorherigen Debatten aber zum Beispiel von den Experten aus der Steuerverwaltung begrüßt wurde
  • Eine Mini-Reform der Gemeinnützigkeit – die weder den Grund beseitigt aus dem Attac die Gemeinnützigkeit verloren hat, noch bei der weiterhin gemeinnützigen Stiftung Familienunternehmen nicht für mehr Transparenz sorgt

Definitiv ungerecht wird es dann bei den Maßnahmen zum sog. Familienlastenausgleichs mit Kindergeld und dem Kinderfreibetrag. Der Kinderfreibetrag soll demnach bis 2026 auf 9.756 Euro steigen. Reichensteuer-Familien werden dadurch jährlich um 4.632 Euro entlastet. Das Kindergeld soll ab nächstem Jahr um 60 Euro auf 3.060 Euro steigen und bis 2026 nicht weiter erhöht werden. Der Steuervorteil der Reichensteuer-Familie ist 2026 somit 1.572 Euro größer als das Kindergeld, das Menschen mit geringeren und mittleren Einkommen entlastet. Vergleicht man die Werte mit dem Jahr 2022 – dem Jahr, in dem die Koalition angetreten ist – hätte sich der maximale Vorteil durch den Kinderfreibetrag gegenüber den Kindergeldbeziehern noch einmal um 141 Euro vergrößert (auch wenn das Kindergeld relativ um 2 Prozent stärker angehoben wurde als der Kinderfreibetrag).

Siegesserie für eine gerechtere Grundsteuer

2021 wurde eine bundesweite Reform der Grundsteuer und eine Neubewertung aller Grundstücke bis 2025 beschlossen. Mittlerweile sind die meisten Bescheide für die Neubewertung verteilt. Wie hoch die Steuer letztlich wird, bleibt für die meisten Menschen aber unklar, weil die Kommunen sich in den meisten Fällen noch nicht auf einen neuen Hebesatz geeinigt haben. Vor allem die Modelle, die versuchen, eine mehr oder weniger am Wert des Grundstücks und der Immobilien ausgerichtete Steuer umzusetzen, stehen im Fokus von Klagen der Immobilienlobby. Diese Klagen mussten jetzt zwei weitere Niederlagen hinnehmen:

  • Bundesfinanzhof stützt Bundesmodell der Grundsteuer: ​​Anders als das vorinstanzliche Gericht stellt der BFH das Bundesmodell nicht in Frage. Der BFH betont, dass der Gesetzgeber einen großen Spielraum hat, bei Massenverfahren wie der Grundsteuerreform zu pauschalisieren und zu typisieren. Geringe Abweichungen vom tatsächlichen Wert sind also hinzunehmen. Erst Überschreitungen um 40 Prozent oder mehr seien “deutlich zu hoch”. In solchen Fällen müssen Eigentümer den tatsächlichen Wert nachweisen dürfen (Az. II B 78/23)
  • Das Finanzgericht Baden-Württemberg erklärt das Bodenwertmodell und die Verwendung von Bodenrichtwerten der Gutachterausschüsse für verfassungskonform: Damit widerspricht es dem in der Reformdebatte u.a. von Prof. Kirchhof und der Immobilienlobby vorgetragenen Verständnis von Äquivalenz. Demnach dürfte eine verfassungskonforme Steuer angeblich – wie beim bayerischen Modell – nur anhand der Fläche bemessen werden, egal wie gut die Lage und wie hoch der Wert des Grundstücks. Wie schon die vorinstanzlichen Gerichte widerspricht das Gericht dem und den anderen Klagegründen aus zwei Musterklagen. Eine Revision beim BFH ist zulässig. (Az. 8 K 2368/22 und 8 K 1582/23)

Weitere Nachrichten:

  • Bundesfinanzhof widerspricht Beschränkung von Verlustverrechnung gegen Steuervermeidung: Seit 2021 dürfen Verluste aus Termingeschäften (u.a. Optionsgeschäfte, Futures CFD) im Wesentlichen nur noch mit Gewinnen aus ebensolchen Geschäften verrechnet werden. Und das bis maximal 20.000 Euro pro Jahr. Ziel war u.a., Spekulation und Steuervermeidung über künstlich erzeugte Verluste zu begrenzen. Seit der Gesetzesänderung ist der Handel mit den entsprechenden Finanzprodukten deutlich zurückgegangen. Der Bundesfinanzhof (BFH) sieht in dieser Regelung aber nach Beschluss vom 7. Juni 2024 einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot und wird die Entscheidung wahrscheinlich dem Bundesverfassungsgericht vorlegen (Az. VIII B 113/23).
  • Das DIW untersucht internationale Beispiele von Steuern auf zuckerhaltige Getränke. Die Lehre: Der Steuersatz einer Zuckersteuer sollte wie in Großbritannien stufenweise ansteigen, je mehr Zucker im Produkt ist. So geraten Unternehmen in Konkurrenz, weniger Zucker in ihre Produkte zu packen, um vergleichsweise günstigere Preise anbieten zu können. Eine einheitliche Steuer, die auf Verhaltensänderung von Konsumierenden setzt, hatte in Dänemark nur einen geringen Effekt.

Internationale Steuergerechtigkeit

UN macht weiter, OECD hängt fest

Anfang Juni hat die UN wie geplant ihren Zero Draft für die Aufgabenbeschreibung für eine UN Steuerkonvention veröffentlicht und Stellungnahmen dazu eingeholt. Die Stellungnahme der Global Alliance for Tax Justice begrüßt den Entwurf und schlägt einige Erweiterungen – zum Beispiel um internationale Steuerinitiativen (sprich globale FTT etc), den Bezug zu Menschenrechten oder einem Trust Fund um eine gleichberechtigte Teilnahme an den Verhandlungen zu finanzieren. Gemeinsam mit 227 anderen Organisationen aus 65 verschiedenen Ländern haben wir uns dieser Stellungnahme angeschlossen. Gemeinsam mit dem Forum Umwelt und Ökonomie und der Arbeitsgemeinschaft Eine Welt-Landesnetzwerke haben wir die zentralen Forderungen außerdem in einem Forderungspapier an die Bundesregierung aufgegriffen. In ihrer Stellungnahme zum UN-Entwurf bestärkt die Bundesregierung ihre Bereitschaft zu konstruktiver Mitarbeit, plädiert aber gleichzeitig dafür, das Prinzip der Einstimmigkeit festzuschreiben und die inhaltlichen und zeitlichen Ambitionen vor allem über frühe Protokollerklärungen abzuschwächen.

Die Stellungnahme betont außerdem die rechtliche Sicherheit und die Konsistenz mit globalen Standards – obwohl gerade die EU und Deutschland in der Vergangenheit und auch bei aktuellen Gesetzesinitiativen immer wieder an eigenen Standards festhalten und auf Sonderregelungen bestehen. Während die Arbeit der UN also wie geplant fortschreitet, hängen die Vorschläge der OECD fest. Das multilaterale Abkommen zur Neuverteilung von Besteuerungsrechten hat auch die nächste Deadline, Ende Juni, verpasst.

„As each of these milestones arrives, whether we successfully conclude by a given date or not, we get closer to the finish line” (Manal Corwin, zitiert von CNNnach der nächsten verpassten Deadline)

In den Worten der OECD ist das Fehlen von Neuigkeiten eine gute Nachricht, weil es immerhin bedeutet, dass noch weiter verhandelt wird. Und auch aus Sicht des britischen Vertreters sind die Verhandlungen zum Text „sehr weit fortgeschritten”.

Weitere Nachrichten:

  • Wegen Steuern auf der Straße: Kenia ist Heimat von Tax Justice Afrika und eines der Länder, in dem aktiv über Vermögensteuern debattiert wird. Aber es waren vom IWF verordnete Steuererhöhungen für die Mitte, die massenhaft junge Menschen auf die Straße gebracht haben.

Schattenfinanz und Geldwäsche

Fake News? Grüne blockieren angeblich Finanzkriminalitätsbekämpfung

Die Überschrift war nicht mal neu – bereits im Mai 2024 titelte die Wirtschaftswoche mit einer Grünen Blockade des Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetzes (FKBG). Schon dieser Artikel verknüpft die Blockade mit dem Vermögensverschleierungsbekämpfungsgesetz (VVBG). Nach der Verbändeanhörung zum VVBG im Mai hat das BMF mittlerweile einen ungewöhnlich stark überarbeiteten Entwurf vorgelegt. Aber das Kabinett hat sich – anscheinend auch wegen des Widerstands des FDP-geführten Justizministeriums – noch nicht geeinigt. Deswegen scheint es wenig überraschend, dass die Grünen die Abstimmung im Plenum erneut blockiert haben. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Johannes Vogel, spottete laut Handelsblatt trotzdem über eine „neu entdeckte Liebe der Grünen für die Organisierte Kriminalität“. Nach dem Rentenpaket im Mai, sieht die FDP demnach den eigentlichen Grund für die Blockade jetzt bei der Kindergrundsicherung. Und sie sorgt sich darum, dass die Behörde nicht mehr wie geplant zum 1.1.2025 an den Start gehen kann und möglicherweise einige bereits in den Startlöchern stehende Mitarbeiter noch abspringen könnten. Vor allem aber dürfte die Verzögerung für internationalen Ärger durch die FATF sorgen, die bei ihrer Überprüfung 2022 Verbesserungen bei der effektiven Bekämpfung komplexer Geldwäschefälle angemahnt hat und den Fortschritt jährlich kontrolliert. Der logische Weg zur Lösung des Konfliktes liegt eigentlich auf dem Tisch: Das Kabinett sollte die Sommerpause nutzen und sich auf ein möglichst wirksames und dringend nötiges VVBG einigen, so wie es beim ursprünglichen Gesetzentwurf im Sommer 2023 schon vorgesehen war. Oder hat vielleicht die FDP in der Zwischenzeit ihre Liebe zur organisierten Kriminalität wiederentdeckt?

Weitere Nachrichten:

  • Die Welthungerhilfe nutzte laut Spiegel Hawala-Banking für Transfers von 3 Millionen Euro nach Afghanistan, Gebühr fast 10 Prozent.
  • Kampfsport-Star Khabib Nurmagomedov ist – unter anderem – wegen Steuerrückständen in Höhe von umgerechnet 3,2 Millionen Euro aus Russland gen Steueroase Vereinigte Arabische Emirate geflohen, wo er wohl einen “Goldenen Pass” besitzt. Die russische Steuerbehörde hatte nach einer Betriebsprüfung seine Konten eingefroren.
  • Sämtliche Tatverdächtige im Prozess wegen Geldwäsche im Rahmen der durch die Panama Papers aufgedeckten Geschäfte der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca sind in Panama City aufgrund Mangels an Beweisen freigesprochen worden. Der NDR-Journalist Benedikt Strunz spricht zurecht von einem fatalen Signal für die Branche.

Steuerverwaltung und Cum-Ex

Einstellung des Olearius-Prozesses: Kein Skandal, aber böses Omen

Der 82-jährige Warburg-Gesellschafter Christian Olearius muss sich nicht weiter vor Gericht für die Cum-Ex-Geschäfte verantworten, die seine Bank und er sogar auf Privatrechnung umgesetzt hatten. Das Landgericht Bonn hat den Prozess um Steuerhinterziehung über 280 Millionen Euro eingestellt, da der Bankier gesundheitlich zu stark angeschlagen war um – wie in Deutschland vorgeschrieben – am Prozess teilzunehmen. Olearius ist somit weder frei noch schuldig gesprochen. Laut einem gerichtlichen Gutachter konnte er nur für jeweils 45 Minuten an Prozesstagen teilnehmen, was zu weiteren drei Jahren Prozessdauer geführt hätte. Daher hatten sowohl Anklage als auch Verteidigung die Einstellung beantragt. Dennoch hat die Staatsanwaltschaft Revision und zusätzlich Beschwerde beim OLG eingelegt: Das Gericht hatte nämlich ebenfalls abgelehnt, über eine Einziehung von Taterträgen in Höhe von 43 Millionen Euro zu entscheiden.

Ist die Einstellung ein Skandal? Nein – wer zu krank ist, ist eben zu krank. Und eine Fortsetzung des Verfahrens in Deutschland (noch) nicht möglich. Dennoch kann man die Einstellung als böses Omen sehen: Die Staatsanwaltschaft Köln, die noch 1.700 weitere Beschuldigte verfolgt, hatte sich mit ihren Anklagen von kleinen Tradern zu großen Bankvorständen vorgearbeitet. Nun muss der erste angeklagte Ex-Vorstand einer namhaften Bank – der wohl auch die teuerste Verteidigung aller bisher Angeklagten aufgefahren hatte – also nicht ins Gefängnis. Was dazu wohl seine früheren Untergebenen sagen, die teils auch nur wenige Jahre jünger sind und mittlerweile schon im Gefängnis sitzen? Da die Umstände sehr speziell waren, kann man zum Glück wohl noch keine Rückschlüsse auf die gesamte Cum-Ex-Aufklärung ziehen. Wir hatten uns zu der Prozesseinstellung, dem Bezug zu Kanzler Scholz und den blinden Punkten der Aufklärung bei ZDFheute Live und beim SWR geäußert.

Weitere Nachrichten:

  • Das Fußballfieber hat hierzulande die meisten gepackt. Lohnt sich das Ganze auch finanziell? FragdenStaat und CORRECTIV.lokal haben herausgefunden, dass die zehn Spielstätten mindestens 66 Millionen Euro mehr für die Ausrichtung zahlen müssen. Kann man wenigstens mit Steuermehreinnahmen rechnen? Laut BMF gibt es seit Jahren wie international üblich „Steuervergünstigungen für internationale Sportveranstaltungen in Form von Regierungsgarantien” (Mehr dazu hier.)
  • Bankdienstleistungen für ausländische Steuerbetrüger jetzt doch Geldwäsche? Das Oberlandesgericht Koblenz zwingt das Landgericht laut Handelsblatt zur Eröffnung eines Verfahrens gegen den Vorstand der North Channel Bank aus Mainz, die Geld für Cum-Ex Betrüger aus Dänemark gewaschen haben sollen.
  • Insider sprechen von einem Kulturproblem bei der US-Steuerbehörde IRS. Die Large Business and International Division, die für große Unternehmen und komplizierte Auslandsfälle zuständig ist, wende das strenge Prüfungsinstrument eines „summons” viel seltener an als die für kleine Unternehmen zuständigen Divisions. Zudem wurden in den letzten fünf Jahren durch die LB&I nur 22-mal mögliche Fälle von Steuerkriminalität an Ermittlungsbeamte weitergegeben – vierzigmal weniger als bei Kleinunternehmen und Selbstständigen.

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