Offener Brief an die Lobby des großen Geldes
Vor wenigen Tagen hat das ZDF in einem gut verständlichen Background-Check die Steuerprivilegien der Superreichen erklärt. Bei der Lobby des großen Geldes hat das offensichtlich einen wunden Punkt getroffen. Der Verband Die Familienunternehmer hat einen fünfseitigen offenen Brief an das ZDF verfasst. Der Brief wirft den Journalisten Aktivismus, Einseitigkeit und technische Fehler vor. Dabei ist er selbst voller Fehler und falscher Vorwürfe. Hier ist unsere Antwort.
Liebe Lobbyisten-Kolleginnen,
wer das Einmaleins des deutschen Steuerrechts nicht beherrscht, sollte sich mit der Kritik zurückhalten. Wer die Transparenz des Gegenübers für Kritik nutzt, sollte selbst erst einmal Transparenz schaffen. Und wer sich über Einseitigkeit nur dann beschwert, wenn es gegen die eigenen Interessen geht, dem ist guter Journalismus offensichtlich egal.
Das Einmaleins: Sie addieren Körperschaftsteuer und Soli (15,83 Prozent) mit Gewerbesteuer (15 Prozent) und Abgeltungsteuer inkl. Soli (26,375 Prozent). Ihr Ergebnis: 57 Prozent. Das sagt auch der Taschenrechner, wenn man alle drei Zahlen einfach addiert. Aber die Abgeltungsteuer wird nur auf knapp 70 Prozent des Nachsteuergewinns fällig. Und 30 + 26% von 70 ergibt knapp 48 Prozent. In der Aufregung vergessen? Problematisch wird es, weil Sie gleichzeitig versuchen, die im Beitrag thematisierte niedrige Besteuerung damit zu rechtfertigen, dass das Geld „in der Sphäre des Unternehmens” bleibt. Hoffen Sie darauf, dass das niemand versteht?
Im Klartext: Die in den Beteiligungsgesellschaften angesparten und niedrig besteuerten Gewinne, um die es im Beitrag vor allem geht, können in Apple-Aktien oder kanadische Immobilien gesteckt werden, für das Betriebsflugzeug und das fleißige Family-Office ausgegeben werden oder niedrig besteuert an die Kinder weitergereicht werden. Erst wenn sie auf dem Privatkonto oder unter dem Kopfkissen landen, wird die Kapitalertragsteuer fällig. Bei Einkommen von mehreren Milliarden Euro pro Jahr (ja, wir meinen Einkommen und nicht Vermögen) wie in den Fällen aus dem ZDF-Beitrag, passen sie ohnehin nicht unter das Kissen. Dann bleibt es in den meisten Fällen bei der Unternehmensteuer von 30 Prozent. Bei Immobilien- oder Auslandsgewinnen fallen oft noch deutlich weniger Steuern an.
Zur Transparenz: Sie haben unseren öffentlich zugänglichen Lobbyregister-Eintrag gelesen. In unserem 9-seitigen Jahresbericht steht detailliert, wer zu unserem Budget von 266.000 Euro beigetragen hat. Der größte Skandal, der Ihnen dabei aufgefallen ist: Wir haben knapp 10.000 Euro (also 3,5% des Gesamtbudgets) für die entwicklungspolitische Bildungsarbeit erhalten – und zwar vom BMZ, also dem „bösen Staat”, der nur an Ihr und unser Geld will. Wer Ihren Jahresbericht liest, erfährt gar nichts darüber, wer Ihnen im vergangenen Jahr mehr als 7 Millionen Euro gegeben hat – außer, dass es ungefähr 6.600 Privatpersonen waren. Von diesen hat Ihnen jeder im Schnitt also mehr gegeben, als wir von der Bundesregierung insgesamt erhalten haben. Ihr großer Bruder, die Stiftung Familienunternehmen, verrät nicht mal das eigene Budget und stellt Journalisten auch auf Rückfrage keine Informationen zu den wenigen Hundert Großkonzernen zur Verfügung, die dort Mitglied sind. Wer finanziert Sie?
Zur Einseitigkeit: Wir finden in dem Beitrag weder Fake News noch einen Moderator, der sich in Rage redet. Ganz anders sieht das bei der Lektüre Ihres Briefes und den Texten auf Ihrer Website aus. Deswegen freuen wir uns darüber, dass das ZDF mit dem Geld der Gebührenzahlerinnen zumindest für etwas Ausgleich in der sonst sehr einseitigen und von der Lobby des großen Geldes dominierten Debatte sorgt.
Liebe Steuerzahlerinnen,
machen Sie sich am besten selbst ein Bild vom ZDF-Beitrag: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/superreiche-steuertricks-kosten-backgroundcheck-100.html
Vergleichen Sie diesen mit der Arbeit mit des Verbandes Die Familienunternehmer und den dort angepriesenen Artikeln und Beiträgen: https://www.junge-unternehmer.eu/aktionen/toxicdeutschland-detoxdeutschland.html
Falls Ihnen trotz aller Fußnoten und Quellenangaben im Fernsehbeitrag noch etwas unklar geblieben ist, schauen Sie gerne in unserer Studie zur Besteuerung von Superreichen: https://www.oxfam.de/ueber-uns/publikationen/superreiche-gerecht-besteuern und in unserem ausführlichen Hintergrundpapier dazu: https://www.netzwerk-steuergerechtigkeit.de/wp-content/uploads/2024/05/Besteuerung_Reichtum_Deutschland.pdf
Der Steuersatz ist dort ausführlich erklärt. Dass wir dabei auf Annahmen, Modellrechnungen und konkrete Beispiele zurückgreifen mussten, liegt übrigens daran, dass offizielle Daten fehlen. Die Abgeltungssteuer wird von den Banken anonym abgeführt und taucht daher nicht in der Steuerstatistik auf. Ebenso werden einbehaltene Dividenden und die steuerfreien Veräußerungsgewinne von Immobilien in keiner Statistik erfasst. Über die Annahmen diskutieren wir gern und warten noch immer auf Belege, die den Gegenbeweis erbringen.