Reform der Grunderwerbsteuer – das langsame Ende der Share Deals
Die aktuelle Reformdiskussion um die Share Deals bei Immobilienkäufen zeigt im Kleinen, was beim Thema Steuergerechtigkeit in Deutschland schief läuft und was man dagegen tun kann.
Beim Kauf einer Immobilie werden je nach Bundesland bis zu 6,5% Grunderwerbsteuer fällig. Die Einnahmen in den Bundesländern steigen auf zuletzt 13,4 Milliarden Euro (2017). Bei vielen großen Immobilien-Deals wird diese Steuer mit eine Trick (den sogenannten Share-Deals) vermieden. Nach jahrelangem öffentlichen Druck wird dieses Steuerschlupfloch schrittweise verkleinert, für große und aggressive Steuervermeider bleibt es weiter offen. Anstatt also schnell und konsequent gegen Steuervermeidung vorzugehen (Hessen schätzte den Ausfall 2016 auf 1 Milliarde pro Jahr), erhöhten die Länder sukzessive die Steuersätze für alle ehrlichen Steuerzahler.
Der Trick mit den Share Deals besteht vereinfacht darin, die Steuerbehörden davon zu überzeugen, dass man keine Immobilie sondern nur einen Anteil an einer Firma gekauft hat. Genauso wie im Extremfall – man kauft eine Aktie und erhält damit einen Anteil von 0,0001% an einer Firma, deren Vermögen zu 1% aus Immobilien besteht – zahlt man dann keine Grunderwerbsteuer. Das jetzige Gesetz zieht die Grenze zwischen Immobilien- und Anteilskauf bei einem Anteil von 95% auch wenn die gekaufte Firma nichts anderes ist als ein Firmenmantel in dem ein Haus oder ein Wohnung verpackt ist.
Bis zur ersten Korrektur 2013 reichte es zur Vermeidung der Grunderwerbssteuer eine weitere Tochtergesellschaften zu gründen, die 5,1% der immobilienbesitzenden Firma übernahm (so genannter RETT-Blocker). Auch wenn dem Immobilienkäufer über diese Tochtergesellschaft am Ende indirekt 100% der Immobilie gehörte, hatte er auf dem Papier nur Firmenanteile und keine Immobilie gekauft.
Auch nach der Korrektur von 2013 war es relativ einfach möglich die 100%ige Kontrolle über eine Immobilie zu erhalten, auf dem Papier aber weniger als 95% zu besitzen und damit die Steuer zu vermeiden. Dafür reichte es zum Beispiel:
- 5,1% der Immobilie an eine Stiftung zu übertragen, deren Entscheidungen man über den Stiftungsrat beeinflussen kann ohne als Eigentümer zu zählen;
- Vertragliche Vereinbarungen mit dem Vorbesitzer zu treffen, nach denen auch die restlichen 5,1% nach Ablauf der 5 Jahres Frist zu einem vorher festgelegten Preis übertragen werden oder diesen über Darlehen zu binden;
- Die Übertragung dem Finanzamt einfach nicht anzuzeigen. Da sich am Grundbucheintrag nichts ändert, kann man dann darauf warten, dass die Betriebsprüfung die Übertragung bemerkt. Selbst wenn dies nach vielen Jahren irgendwann der Fall sein sollte, werden keine Strafen fällig.
Nach weiteren fünf Jahre, dreijähriger Beratungszeit und einem verfassungsrechtlichen Gutachten soll jetzt die Quote ab der eine Firmenübertragung als Immobilienerwerb zählt von 95 auf 90% abgesenkt, die Haltefrist von 5 auf 10Jahren verlängert und die spätere Anteilsvereinigung etwas erschwert. Weitere Maßnahmen, wie z.B. ein Strafzins beim Verstoß gegen die Anzeigepflicht oder Gegenmaßnahmen gegen das Stiftungsmodell sollen weiter beraten werden.
Damit wird das Steuerschlupfloch kleiner und unattraktiver, allerdings nicht für alle. Der Spiegel (25/2018, S.14) schätzt, dass sich Share Deals bei Investitionen über 25 Millionen Euro weiterhin lohnen. Aus der Arbeitsgruppe der Länder, die die Reformen erarbeitet hat, ist selbstkritisch zu vernehmen, dass sich durch die Reform lediglich die Vermeidungsstrategien ändern werden; ein Bundesland schätzt, dass ca. 50% der bisher über Share Deals abgewickelten Transaktionen betroffen wären. Die Berater arbeiten bereits mit Hochdruck an alternativen Modellen.
Damit die Steuersätze für die ehrlichen Steuerzahler nicht weiter steigen und der Staat im Hase und Igel Spiel mit den Steuerberatern einigermaßen mithalten kann, müsste bei der Grunderwerbssteuer genauso wie bei vielen anderen Steuern vor allem Folgendes passieren:
- Der Staat muss geltendes Recht besser und schneller durchsetzen, dafür braucht es…
- …mehr bzw. bessere Betriebsprüfer und Steuerfahnder. Der Kampf gegen Steuervermeidungstricks von großen Steuerzahlern sollte nicht mehr wie bisher allein den Finanzämtern vor Ort überlassen werden, sondern in einer Sonderabteilung (Large Tax Payer Units) gebündelt werden.
- …eine Anzeigepflicht für Steuervermeidungsmodelle, die neben den Modellen auch das Ausmaß der Anwendung dieser Modelle erfasst und die in den Steuerbehörden dafür verwendet wird die Steuerprüfung und die Reform des Steuerrechts zielgenauer und schneller zu machen.
- …ausreichende Sanktionen für Steuervermeider und deren Berater (z.B. der vorgeschlagene Strafzins) genauso wie ein sinnvoller Einsatz von Anti-Missbrauchs Klauseln bzw. Regelbeispielen und einer Begrenzung des Rückwirkungsverbots.
- Der Staat braucht mehr Mut zur Reform, dafür braucht es …
- …ein starkes Gegengewicht gegen die Lobbyarbeit der großen Verbände, die versuchen die Öffentlichkeit und die Verantwortlichen zu überzeugen, dass ohne die Share Deals die Investitionen auf dem Immobilienmarkt zum Erliegen kommen würden,
- …die Bereitschaft und die Ressourcen den rechtlichen Rahmen auszuschöpfen – während in Holland eine Besteuerung ab 50% möglich ist und der wissenschaftliche Dienst des Bundestages zu dem Schluss kommt, dass 75% verfassungsrechtlich denkbar wären, richtet sich die Arbeitsgruppe der Steuerabteilungsleiter der Länder nach dem Urteil eines von ihnen beauftragten Verfassungsrechtler, der 90% vorschlägt, aber gleichzeitig anmerkt, dass dies eine persönliche Einschätzung ist und das Verfassungsgericht auch zu einem ganz anderen Urteil kommen könnte. Auf der anderen Seite operieren viele der angewandten Gestaltungsmodelle im rechtlichen Graubereich – z.B. die Verwendung von Darlehen und atypischen Beteiligungen zur Bindung des Minderheitengesellschafters – und müssten konsequent gerichtlich geklärt werden.
- Die Bundesländer brauchen ausreichend Motivation für eine Reform, dafür muss…
- …die Arbeit der Finanzbehörden der Länder transparenter werden. Die Öffentlichkeit braucht verlässlichere Informationen und Schätzungen darüber an welcher Stelle des komplexen Steuerrechts wie viel Steuern verloren gehen und wer davon profitiert. Ohne den öffentlichen Druck fehlt den Ländern bei stetig steigenden Steuereinnahmen schlichtweg die Motivation zur Reform.
- Die Diskussion um Steuergerechtigkeit und Steuerreformen muss breiter geführt werden…
- …anstatt weiter die verfassungsrechtlichen Grenzen der Grunderwerbssteuer zu testen, wäre z.B. auch eine Diskussion über die Gestaltung einer breiteren Kapitalverkehrssteuer, die Immobiliengeschäfte umfasst, denkbar. Dabei sollte die Verteilungswirkung eine größere Rolle spielen.
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