Wer hat Angst vor der Grundsteuer?
Bund und Länder haben sich heute mal wieder auf einen Kompromiss zur Grundsteuer geeinigt – ein wertabhängiges Modell mit stark vereinfachten Bewertungskriterien. Die CSU arbeitet – wie schon bei der Erbschaftsteuer – weiter an ihrem lobby- und millionärsfreundlichen Sonderwunsch. Ein gut gemachtes wertabhängiges Modell sorgt eindeutig für mehr Steuergerechtigkeit, der Bodenwert ist wichtiger Bestandteil.
Die Immobilien-und Wirtschaftsverbände machen mit Auftragsstudien und massiver Öffentlichkeitsarbeit Stimmung gegen eine wertabhängige Grundsteuer und das Verbot der Umlagefähigkeit. Grund dafür ist nicht die Angst vor steigenden Mieten oder ausbleibenden Investitionen, sondern die Angst vor derVermögensteuer. Sie wurde 1997 genauso wie jetzt die Grundsteuer wegen der nicht aktuellen Einheitswerte ausgesetzt. Eine nicht umlagefähige, am Ertragswert bemessene Grundsteuer, wie von Vertretern von Linken, Grünen und SPD gefordert und vom Finanzministerium vorgeschlagen, wäre selbst schon ein wichtiger Beitrag für eine gerechte Besteuerung von Vermögen, vor allem aber eine gute Grundlage für die Wiederbelebung der Vermögensteuer. Aus ökonomischer Sicht gibt es dagegen wenig Einwände, was selbst Ökonomen von IWF und OECD und die von den Lobbyisten beauftragtenProfessoren (z.B. Clemens Fuest) anerkennen. Die verwaltungstechnischen, verteilungspolitischen und verfassungsrechtlichen Gegenargumente sind nicht überzeugend.
Wichtigstes Argument für eine Flächensteuer und gegen eine wertabhängige Grundsteuer ist der Verwaltungsaufwand. Schätzt man – wie beispielsweise Clemens Fuest – die Kosten für die jährliche Bewertung für jedes der 35 Millionen Grundstücke auf je 500€ alle 5 Jahre, betragen die Kosten knapp 25% der Einnahmen. Diese Rechnung ignoriert allerdings Vereinfachungspotenzial durch Pauschalisierung, Selbsterklärung der Steuerpflichtigen und Automatisierung auf der einen Seite und potenziellen Zusatznutzen als Grundlage für eine bessere Erfassung und Besteuerung von Vermögen auf der anderen Seite. Ein weiteres Gutachten verweist zu Recht darauf, dass dank technischem Fortschritt „Die Erfahrungen der Bankenwirtschaft, die als Sicherheit gestellten Grundbesitz regelmäßig mit dem Ertragswert bewertet, zeigen, dass eine flächendeckende Ertragswertermittlung möglich ist.“
Die verfassungsrechtliche Interpretation in Bezug auf die Gesetzgebungskompetenzdes Bundes und das Prinzip der Leistungsfähigkeit ist unklar. Schaut man sich die vorliegenden verfassungsrechtlichen Gutachten und Analysen an, hängt die Schlussfolgerung stark davon ab wer wen gefragt hat. Ein Vorteil für die Flächensteuer ist nicht zu erkennen.
Es verbleibt schließlich das verteilungspolitische Argument. Die Grundsteuer ist in der Tat keine ideale Vermögensteuer – sie trifft die kreditfinanzierte Wohnung der jungen Familie, genauso wie das Investitionsobjekt des Millionärs. Drei Argumente sprechen aus Perspektive der Steuergerechtigkeit trotzdem ganz klar für eine wertabhängige Grundsteuer:
- Die Besteuerung von Vermögen und Kapitaleinkommen ist in Deutschland durch die Aussetzung der Vermögenssteuer (1997), die großzügigen Ausnahmen bei der Erbschaftsteuer (2016) und die Abgeltungssteuer für Kapitaleinkommen (2007) stark gesunken und im internationalen Vergleich vor allem wegen der vergleichsweise niedrigen Grundsteuereinnahmen gering.
- Immobilienvermögen macht den größten Teil des Vermögens in Deutschland aus und ist genauso wie das Vermögen insgesamt sehr ungleich verteilt. Die Erfassung und Besteuerung von Immobilienvermögen ist deswegen essentieller Bestandteil einer Besteuerung von Vermögen. Im derzeitigen politischen Kontext ist eine angemessene Besteuerung von Vermögen und Kapitaleinkommen ohne eine wertabhängige Grundsteuer nicht denkbar.
- Knapp die Hälfte der Deutschen besitzt ein Eigenheim (vor allem auf dem Land), aber nur weniger als 10% besitzen zusätzlich eine Mietwohnung. Und auch unter denVermietern ist die Ungleichheit laut einer BBSR Befragung enorm – 57% der Privatvermieter besitzt nur eine Wohnung, weiter 30% weniger als 5 Wohnungen, zusammen besitzen sie trotzdem weniger als die Hälfte der privat vermieteten Wohnungen. Zusätzlich konzentriert sich der Besitz von privaten Mietwohnungen und Investitionsobjekten in den Großstädten, alsogenau da wo die wertabhängige Grundsteuer zu höheren Kosten führen würde.
Aktuelle Gegner der wertbasierten Grundsteuer sind folgerichtig z.B:
- Clemens Fuest (Leiter ifo-Institut, Stiftung Marktwirtschaft, Stiftung Familienunternehmen) hat 2018 im Auftrag von Haus&Grund eine Studie zur Grundsteuer verfasst. (siehe dazu: http://blog-steuergerechtigkeit.de/2018/09/wirtschaftswissenschaftler-als-lobbyisten-gegen-steuergerechtigkeit/). In seinem jüngsten Diskussionsbeitrag für die FAZ wird deutlich, dass seine Ablehnung gegen die wertabhängige Grundsteuer seiner ökonomischen Theorie widerspricht und lediglich auf der Meinung basiert, dass eine höhere Besteuerung von Vermögen nicht wünschenswert ist (FAZ vom 11.1.2019: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mehr-wirtschaft/grundsteuer-deutschland-im-internationalen-vergleich-15982198/wer-steuern-will-muss-ins-15982821.html)
- Lars Feld („Wirtschaftsweiser“, Direktor des Eucken Instituts, Stiftung Marktwirtschaft) findet eine wertbasierte Steuer Ok, hält aber die Umlagefähigkeit auf Mieter für unbedingt nötig, sonst wird die Grundsteuer zur Vermögensteuer und macht auswärtige Eigentümer, die nicht vor Ort von den kommunalen Leistungen profitieren, zu den Zahlern: https://www.eucken.de/diskussionspapier-zur-grundsteuerreform-von-lars-p-feld-und-patrick-hirsh/
- Der Bund der Steuerzahler warnt im Handelsblatt davor, dass die Grundsteuer zu einer verkappten Vermögensteuer wird: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/geplante-reform-steuerzahler-bund-warnt-grundsteuer-darf-keine-verkappte-vermoegensbesteuerung-werden/23862694.html?ticket=ST-264029-Zfaqf7nLqeEyMZnB411b-ap4
- Gregor Kirchhof produziert im Auftrag vom Zentralen Immobilienausschussverfassungs rechtliche Zweifel am Verbot der Umlagefähigkeit und dem wertabhängigen Modell, Petitum für ein Flächenmodell inklusive (obwohl mehrere Verfassungsrechtler bezweifeln, dass das verfassungsrechtlich Ok wäre): https://www.zia-deutschland.de/pressemeldung/grundsteuer-verfassungsrechtliche-bedenken-gegen-umlageverbot-und-wertabhaengiges-modell/. Ein bereits 2017 vom BID (dem Oberverband in dem auch der Zentrale Immobilienausschuss Mitglied ist) bei Johanna Hey in Auftrag gegebenes Gutachten hatte sich noch für das jetzt vom BMF vorgeschlagene Ertragswertmodell ausgesprochen, wurde aber entsprechend uminterpretiert (http://www.bid.info/wp-content/uploads/2018/04/180425_PM_BID_Grundsteuer-Urteil.pdf)
- Der Verband der Familienunternehmer zitiert in seiner Stellungnahme vom 11.1.2019 das Gutachten von Kirchhoff und plädiert für eine flächenabhängige Grundsteuer. https://www.verbaende.com/news.php/DIE-FAMILIENUNTERNEHMER-kritisieren-Scholzapos-geplante-Grundsteuerreform-Reinhold-von-Eben-Worle-Der-Finanzminister-hat-sich-vergaloppiert?m=126449
- In seinen schön präsentierten Beispielrechnungen wiederholt Haus&Grund den gleichen populistischen Fehler wie die Hamburger SPD und ignoriert die bisher nie in Frage gestellte Aufkommensneutralität: Addiert man die Steuerzahlungen für alle 17 Beispiele, entspricht die Summe für die Flächensteuer – rein zufällig – in etwa den aktuellen Einnahmen. Das wertabhängige Modell ist im Schnitt doppelt, das Bodenwertmodell sogar viermal so teuer. https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wohnen/grundsteuerreform-guenstiger-wird-s-nicht-16009622.html Damit verlieren die einzelnen Werte ihre Aussagekraft.
PM
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