Geldwäscheparadies Deutschland – Lehren aus dem aktuellen Jahresbericht der obersten deutschen Geldwäschebehörde
Christoph Trautvetter | Veröffentlicht am |
Ihr Name FIU steht für Financial Intelligence Unit und sie ist theoretisch das Gehirn einer guten Geldwäschebekämpfung. Praktisch ist die beim Zoll angesiedelte FIU die Stelle, die Verdachtsmeldungen von Banken und zahlreichen anderen Verpflichteten wie Maklern, Wirtschaftsprüfern, Notaren und Güterhändlern (die sie aber nicht selbst beaufsichtigt) entgegennimmt und auswertet. Bei Bedarf leitet sie die Meldungen an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weiter. Zudem tauscht sich die FIU mit internationalen Partnern aus. Für diese Arbeit stand die Behörde in den letzten Monaten und Jahren immer wieder in der Kritik.
Im Zusammenhang mit dutzenden dubiosen Überweisungen von deutschen Konten nach Afrika (wahrscheinlich im Zusammenhang mit Betrugsfällen) war sie zuletzt sogar selbst Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Untersuchungen wegen des Verdachts der „Strafvereitlung im Amt“ – also Behinderung der Strafverfolgung durch verspätete oder fehlende Weiterleitung von Verdachtsmeldungen. Und auch bei dem Skandal um Wirecard machte sie keine gute Figur. Jetzt hat die FIU ihren Jahresbericht für 2019 vorgelegt und damit zumindest ein paar interessante Anregungen für die öffentliche Diskussion geliefert.
1. Immobilien stehen gerade im Fokus der Öffentlichkeit (siehe z. B. hier und hier) und auch die FIU erkennt dort einen Geldwäscheschwerpunkt. Allerdings stellt sie in ihrem Jahresbericht endlich klar, was in der öffentlichen Diskussion über Geldwäsche leider oft untergeht: Immobilien dienen relativ selten zum Waschen großer Mengen Bargeld. Dass es mit Bargeldkoffern gekaufte (oder renovierte) Immobilien gab und gibt, zeigt der berühmte Fall der 77 in Berlin konfiszierten Immobilien.
Aber: der Großteil der Immobiliengeldwäsche ist vorgewaschenes Geld, das oft durch lange „Waschanlagen“ auf Konten von anonymen Briefkastenfirmen landet und dann zum Kauf von Immobilien verwendet wird. Der Jahresbericht enthält hierfür auch ein exzellentes Beispiel: Eine Investmentgesellschaft aus einem EU-Land (wahrscheinlich Luxemburg oder Niederlande) will Häuser im Wert von 50 Millionen Euro kaufen. Das verkaufende Unternehmen (als Güterhändler) stellt eine Verdachtsanzeige, weil es die finalen Eigentümer nicht identifizieren kann (und ist mit dieser Meldung leider noch eine große Ausnahme!). Die FIU recherchiert und kann sie auch nicht finden, weil die Investmentgesellschaft einer Vielzahl von nicht-EU-Gesellschaften gehört, die jeweils nur wenige Prozent der Anteile halten. Die FIU findet also weder im Transparenzregister noch in den öffentlich zugänglichen Registern weitere Informationen zu den Eigentümern (so viel zum Thema „Intelligence“) und gibt den Fall an die Staatsanwaltschaft ab. Dass diese in solchen Fällen – wenn sie sich denn mangels Kapazität überhaupt damit befassen – meistens auch nichts tun konnten, gab eine Berliner Staatsanwältin in der Expertenanhörung im Bundestag im November 2019 zu Protokoll.
Weitere Beispiele anonymer Immobilienkäufe haben wir in einer Studie zum Berliner Immobilienmarkt zusammengetragen. Und auch der libanesische Zentralbankchef ist kürzlich durch seine bisher anonym über Luxemburg gehaltenen Immobilien in Deutschland und anderen europäischen Ländern im Wert von etwa 100 Millionen US-Dollar aufgefallen.
2. Güterhändler (wie das Immobilienunternehmen aus dem FIU-Beispiel), Makler, Notare und andere Verpflichtete kommen ihrer Meldungspflicht nach wie vor viel zu selten nach, auch wenn ein minimaler Anstieg der Meldungen auch bei ihnen zu bemerken ist. (Mit einer krassen Ausnahme: die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die oft einen besonders guten Einblick in die Geschäftsunterlagen haben, kamen 2019 auf genau null Meldungen.) 2019 meldeten beispielsweise nur 47 (2018: 20) von etwa 12.000 Maklern und 15 (Vorjahr: 5) von 8.400 Notaren einen Verdacht. Diese Zahl dürfte sich 2020 noch einmal deutlich steigern, weil vor allem für die mit Immobiliengeschäften befassten Notare die Regeln nachgeschärft wurden und Berlin mit einer „Task Force Geldwäsche“ sogar erstmals deren Einhaltung kontrollieren will (und ihnen zumindest schon mal die Verdachtsmeldungen abnimmt). Immerhin meldeten sich Ende 2019 über 500 Notare und 400 Makler erstmals bei dem seit 2017 existierenden elektronischen Meldesystem für Geldwäsche an.
3. Und auch zur Frage der Strafvereitlung im Amt enthält der Bericht interessante Informationen. Er zeigt, dass der Anteil der von der FIU an die Strafverfolgungsbehörden weitergereichten Meldungen weiter sinkt (von 58 auf 36 Prozent). Gleichzeitig zeigt sich, dass das nicht unbedingt problematisch sein muss. Schließlich führten nur 2,2% der weitergeleiteten Meldungen zu denen die Staatsanwaltschaften überhaupt eine Rückmeldung gaben (17.565 Fälle) tatsächlich zu einer Verurteilung wegen Geldwäsche. (Bei wie vielen anderen Fällen Geldwäschemeldungen eine Rolle spielen erheben die Staatsanwaltschaften leider immer noch nicht.) Zudem waren der Großteil der Verurteilten kleine Paket- und Finanzagenten, die den eigentlichen Geldwäschern ihre Adresse oder ihr Bankkonto für Transaktionen überlassen haben . Dass mehr weitergeleitete Meldungen nicht automatisch zu besserer Kriminalitätsbekämpfung führen, zeigt auch die Reaktion des deutschen Richterbunds auf den Vorschlag einer Verschärfung des Geldwäschegesetzes: „Die Strafjustiz arbeitet schon heute am Limit, daran hat der Rechtsstaatspakt von Bund und Ländern bisher wenig geändert. Für neue Aufgaben ist ohne zusätzliches Personal kein Raum”
Damit Deutschland seinen Status als Geldwäscheparadies endlich los wird und sich bei der anstehenden Überprüfung durch die Financial Action Task Force im Frühjahr 2021 nicht wieder (wie bereits 2010) blamiert, müssen:
1. Eigentum an Firmen und Immobilien leichter nachvollziehbar sein. Zum einen um die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden zu erleichtern (bzw. überhaupt erst zu ermöglichen) und zum anderen um ausländischen Behörden, investigativen Journalisten und der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, zum Kampf gegen Geldwäsche beizutragen. Das 2017 beschlossene Transparenzregister ist dafür eigentlich ein guter Anfang, wird aber – wie eine aktuelle Kleine Anfrage und unsere Studie zeigen – in Deutschland nur sehr schlecht um- und durchgesetzt.
2. die Strafverfolgungsbehörden die benötigten Kapazitäten, Strukturen und den politischen Auftrag erhalten, um komplexe Finanzströme zu analysieren und auch vorgewaschene Vermögen – also nicht nur die Geldkoffer der lokalen Kleinkriminellen – aufzuspüren und einzuziehen. Dabei wäre es besonders hilfreich, über die Ergebnisse Buch zu führen – also vor allem die Statistiken der Staatsanwaltschaften zu Strafen und Vermögensabschöpfung so aufzuschlüsseln, dass Geldwäschefälle sichtbar werden.
Angesichts explodierender Meldezahlen (und oft niedriger Relevanz und/oder Qualität) wird die FIU auch in Zukunft weiter filtern müssen. Dabei wird auch die ein oder andere Meldung, die sich im Nachhinein als relevant erweist, durchfallen. Angesichts der riesigen Lücken im derzeitigen System, schadet ein wohl dosierter Mut zur Lücke hier nicht. Um diese Fehler zu verringern muss die FIU aber definitiv noch sehr viel besser werden, sich sehr viel besser mit den Strafverfolgungsbehörden verknüpfen und irgendwann auch mit proaktiven Analysen anfangen, um ihrem Namen als „Intelligence Unit“ irgendwann gerecht zu werden.
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