Gerechtigkeitscheck Dezember – Zeit für Prioritäten

Aktuell dominiert die Schuldenbremse die öffentliche Debatte. Nur wenige Tage vor der eigentlich geplanten Verabschiedung des Haushalts für 2024 hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Planung ordentlich durcheinander gewirbelt. Rein technisch betrachtet sollte es trotz Urteil möglich – und ökonomisch sinnvoll sein – Zukunftsinvestitionen über Schulden zu finanzieren. Entweder durch eine Anpassung der Schuldenbremse oder ein neues Sondervermögen. Trotzdem erinnert die Debatte daran, dass öffentliche Haushalte und das Steuersystem eine Frage der Prioritäten sind.

Man kann eben nicht gleichzeitig Steuern für profitable Unternehmen senken (wie das im Wachstumschancengesetz geplant ist), Vermögensaufbau für Menschen mit hohem Einkommen subventionieren (durch den beschlossenen Ausbau der Mitarbeiterkapitalbeteiligung) und zusätzliche Belastungen für Menschen mit hohem Einkommen verhindern (durch die Anpassung des Steuertarifs an die Inflation), ohne die Pläne zur Entlastung der Mitte und einen ausgeglichenen Staatshaushalt zu torpedieren. Um dieses Wunder doch zu vollbringen, verspricht der Koalitionsvertrag “Umschichtungspotenziale und unerwartete finanzielle Spielräume”. Davon ist wie erwartet bisher wenig zu sehen. Es wird also Zeit, Prioritäten zu setzen – bei den Ausgaben, aber vor allem auch bei den Einnahmen. Außer einer neuen Studie zu umweltschädlichen Subventionen gibt es dazu leider wenig Neuigkeiten, dafür viele andere spannende Entwicklungen.

Wie immer: Viel Spaß beim Lesen und Nachhören in unserem Podcast Steuergerechtigkeit, dieses Mal mit einem Deep-Dive zum nahenden Ende der anonymen Briefkastengesellschaft. Und wen noch etwas mehr Tiefe interessiert: Hört auch in unsere erste Podcast-Sonderfolge rein, in der wir über knapp zwei Stunden Probleme und Reformideen der Steuerfahndung mit zwei Experten direkt aus der Praxis besprechen.

+++Die demokratische Steuerrevolution: 80% der Menschen gegen 58% des Geldes+++OECD auf Charme-Offensive: Gut getimte Werbung für die Mindeststeuer mit vielen Fragezeichen+++Rückenwind für die Grundsteuer+++Neue Studien zu klimaschädlichen Subventionen: Genug zur Rettung des Haushalts?+++Vermögenssimulator ohne Vermögensdaten+++Trauriger Geburtstag: EuGH-Urteil gegen Transparenz wird ein Jahr alt+++Zwischenfazits und verschwundene Laptops im Hamburger Cum-Ex Untersuchungsausschuss+++

Internationale Steuergerechtigkeit

Die demokratische Steuerrevolution: 80% der Menschen gegen 58% des Geldes

Die UN-Generalversammlung hat wenig zu bestimmen. Sie kann – außer in Haushaltsfragen – lediglich Empfehlungen aussprechen. Deswegen werden die meisten Resolutionen (etwa 80 Prozent) so lange verhandelt, bis ein Konsens erreicht ist. Nach Berichten, dass Großbritannien und die EU versuchen, die Erarbeitung einer UN-Steuerkonvention durch einen weiteren Arbeitskreis um weitere Jahre zu verzögern, ist den Ländern des Globalen Südens offensichtlich der Geduldsfaden gerissen und sie ließen es auf eine Abstimmung ankommen. Aus demokratischer Sicht ist das Ergebnis eindeutig: 125 Länder mit 80 Prozent der Bevölkerung stimmten für die Resolution, 48 mit 15 Prozent der Bevölkerung stimmten dagegen, 9 enthielten sich. Rechnet man allerdings in Dollar (bzw. BIP) waren nur 42 Prozent dafür, 58 Prozent dagegen. Jetzt ist es an den großen Demokratien (USA, EU, Großbritannien) zu zeigen, dass nicht Geld die Welt regiert, sondern die Mehrheit der Menschen. Und eine weitere große Demokratie (Indien) hat jetzt einen wesentlichen Einfluss darauf, die OECD-Steuerrevolution (O-Ton Olaf Scholz) zu einem guten Abschluss zu bringen und nahtlos und ohne revolutionären K(r)ampf in die weitere Arbeit auf UN-Ebene zu überführen.

Mehr zum Thema:

Weitere Nachrichten:

  • EU-Update: Nach UNSHELL (gegen Briefkastenfirmen) und BEFIT (gemeinsame Besteuerungsgrundlage), jetzt noch FASTER (gegen Cum-Ex), HOT (Besteuerung am Head Office für KMU) und Verrechnungspreise (einheitliche Umsetzung der OECD-Vorlage): Die EU hat sich auf dem Weg zu einer Besteuerung für das 21. Jahrhundert einiges vorgenommen. UNSHELL sollte ursprünglich zum 1.1.2024 starten, hängt aber im Rat fest, der einstimmig zustimmen muss. Jetzt hat die Kommission einen abgeschwächten Vorschlag vorgelegt. Die anderen vier Vorschläge liegen aktuell im Europaparlament. Zumindest die vereinheitlichte Umsetzung der Verrechnungspreise soll noch bis zu den Europawahlen verabschiedet werden.

Unternehmensteuern

OECD auf Charme-Offensive: gut getimte Werbung für die Mindeststeuer mit vielen Fragezeichen

Pünktlich einen Tag vor der Abstimmung über die UN-Steuerkonvention hat die OECD die neue Unternehmensteuerstatistik und ein Papier zur geografischen Verteilung von niedrig besteuerten Gewinnen veröffentlicht. Die Pressemitteilung kommt wenig überraschend zum Schluss, dass die Ergebnisse die Bedeutung der Umsetzung der OECD-Reformen unterstreichen. Spannender sind die Details.

Im Papier …

… schätzen die Autoren, dass mehr als die Hälfte (57 Prozent) der effektiv mit weniger als 15 Prozent besteuerten Gewinne nicht auf Steueroasen, sondern auf Länder mit einem nominellen Steuersatz von über 15 Prozent entfallen. Etwa die Hälfte davon (28 Prozent der gesamten niedrig besteuerten Gewinne) in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen. Als Grund vermuten die Autoren Sonderregeln. Grundlage für die Schätzung sind vor allem nach einzelnen Steuerzahlergruppen aufgeschlüsselte Daten aus den länderbezogene Berichten. Das bedeutet: Die Autoren können zum Beispiel für die fünf Prozent der Unternehmen eines Landes mit der niedrigsten effektiven Steuerquote oder das Median-Unternehmen diese effektive Steuerquote vergleichen und zeigen, dass es auch in Ländern mit hohen nominellen Steuersätzen einzelne Unternehmen gibt, die effektiv deutlich weniger zahlen. Allerdings sind die Ergebnisse sehr stark von verschiedenen Annahmen und Schätzungen geprägt und lassen keine Schlüsse über die individuellen Gründe für die niedrigen Steuersätze zu. Die Ergebnisse sind auch nicht nach Ländern aufgeschlüsselt (lassen sich also z. B. nicht für Deutschland plausibilisieren) und die Abschätzung für die Folgen für die Mindeststeuer sind auf ein Nachfolgepapier verschoben.

Die OECD-Statistik …

… wird seit 2019 jährlich veröffentlicht und enthält eine Vielzahl von Zahlen zur Unternehmensbesteuerung, inklusive aggregierter Zahlen aus den länderbezogenen Berichten (bis 2020) und zur Entwicklung der nominellen Steuersätze (2000 bis 2023) und zu Sonderregimen wie Lizenzboxen (2023). Ein paar spannende Ergebnisse:

  • Der globale Wettlauf nach unten scheint pausiert bzw. war eher ein Wettlauf zur Mitte: der durchschnittliche nominelle Steuersatz auf Unternehmensgewinne verharrt seit 2021 bei 21,1 Prozent. Deutschland gehört zu den vierzehn Ländern mit der stärksten Senkung seit 2000 (mehr als zwanzig Prozentpunkte), vier Länder haben die Steuer 2023 erhöht (Marokko, Sri Lanka, Türkei, Großbritannien)
  • Die großen Konzerne haben auch 2020 weiter Gewinne in Steueroasen verschoben. Pro Mitarbeiter landeten dort 1,7 Millionen US-Dollar Gewinn, während es im globalen Schnitt nur 290.000 US-Dollar waren (und bisher haben immer noch nur 52 von 93 Staaten Daten geliefert)
  • Afrikanische Staaten hängen viel stärker von der Unternehmensteuer ab (19,3 Prozent ihrer Einnahmen) als OECD-Staaten (9 Prozent)
  • Deutschland liegt bei der Forschungsförderung unter dem Schnitt von EU und OECD, dafür sorgen hier günstigere Abschreibungsbedingungen für eine der größten indirekten Steuersenkungen
  • Nach OECD-Regeln sind 43 Lizenzboxen – teilweise mit null Prozent Steuer – weiterhin erlaubt

Weitere Nachrichten:

  • Update zu den effektiven Steuersätzen in der EU: Das neue Papier von Garcia-Bernardo, Janský und Tørsløv versucht, die Fehler des ursprünglichen Papers (steuerfreie Dividenden wurden als Gewinn gezählt, steuerbefreite Unternehmen nicht ausgeschlossen) zu korrigieren, landet dafür aber jetzt bei teilweise sehr hohen Bandbreiten. Ein weiterer Beweis, dass die verfügbaren Daten nicht gut genug sind und die OECD dringend nachlegen sollte.

Vermögen, Erbschaften, hohe Einkommen

Vermögenssimulator ohne Vermögen

Welche wirtschaftspolitischen Maßnahmen helfen gegen die hohe Vermögensungleichheit in Deutschland? Höhere Steuern auf Vermögen und Erbschaften? Ein Startkapital für junge Menschen? Das Forum New Economy hat in Zusammenarbeit mit Ökonom*innen des DIW versucht, eine Antwort zu finden und die Ergebnisse in Form eines Vermögenssimulators für eine breite Öffentlichkeit aufzuarbeiten.

Das wichtigste Ergebnis vorweg: Werden keine Maßnahmen ergriffen, wird die Ungleichheit deutlich zunehmen. Ein weiteres Ergebnis überrascht zunächst: Weder eine Vermögensteuer noch eine sehr hohe Erbschaftsteuer allein können diese Entwicklung nennenswert aufhalten.

Mit Blick auf die hohen Renditen großer Vermögen scheint es logisch, dass eine Vermögensteuer von nur ein bis zwei Prozent keine nennenswerte Auswirkung hat. Dass dies aber auch für eine 100-prozentige Erbschaftsteuer gelten soll, überrascht doch. Bei genauerer Betrachtung der Datengrundlage erklärt sich aber auch das: Das Mikrosimulationsmodell verwendet die Daten der Haushaltsumfragen des Sozio-Ökonomischen Panels des Jahres 2017. Diese Daten leiden jedoch an einer starken Untererfassung der Hochvermögenden, auf die eine Besteuerung aber gerade abzielen sollte. Zudem ist eine Dauer von nur zehn Jahren für die Auswirkungen einer Erbschaftsteuer deutlich zu kurz.

Ein weiteres Problem: Die Instrumente werden nur isoliert voneinander betrachtet. Die zusätzlichen Einnahmen aus der Vermögensteuer lösen sich im Modell also in Luft auf und das Startkapital wird aus dem Nichts finanziert. Das soll in der nächsten Phase des Projekts noch verbessert werden.

Wie man das Vermögen der Superreichen fast vollständig erfassen könnte, zeigen wir in unserer neuen Studie, die am 12. Dezember zusammen mit einer Doku über “Die geheime Welt der Superreichen”. Unbedingt in den Kalender eintragen!

Wer noch nicht genug hat von Simulatoren: Die World Inequality Database hat einen neuen Vermögensteuersimulator. Dort kann man sehen, wie sich eine weltweite Vermögensteuer auswirken würde. Aber Vorsicht: Auch hier fehlen große Teile des steuerpflichtigen Vermögens. Grundlage ist nämlich die sehr lückenhafte Reichenliste von Forbes. Auch dazu mehr am 12. Dezember.

Weitere Nachrichten:

  • Vermögensverteilung neu gemessen: Das DIW hat in einer neuen Studie die Bedeutung der Rentenansprüche für die Vermögensverteilung untersucht. Demnach führt die Einbeziehung künftiger Rentenzahlungen (gesetzliche und betriebliche Altersvorsorge sowie Pensionen) zu einer Verringerung der Ungleichheit. Das Vermögen der ärmeren Hälfte erhöht sich dann von zwei auf neun Prozent. Beim Vermögen der unteren Hälfte der Bevölkerung machen diese etwa siebzig Prozent des Gesamtvermögens aus. Trotzdem seien die Rentenansprüche in der unteren Hälfte der Verteilung so gering, dass sie nicht unbedingt vor Altersarmut schützen würden, so DIW-Ökonomin Charlotte Bartels. Zudem sind Rentensprüche nicht mit frei verfügbaren Vermögen vergleichbar, weil sie eine deutlich geringere Handlungsfähigkeit verleihen.
  • Der Bundesvorstand der SPD hat einen Leitantrag beschlossen, der eine Reform der Erbschaftsteuer vorsieht. Auf dem kommenden Parteitag am 8. bis 10. Dezember soll er verabschiedet werden.
  • Für Statistik-Nerds: Saez und Zucman stellen in einem aktuellen Paper ein Verfahren vor, mit dem der Verteilungseffekt von Steuerreformen genauer bestimmt werden könnte. Sie berechnen als Beispiel, dass die effektive Steuerbelastung des reichsten Prozents in den USA von etwa 50 Prozent in den frühen 1950er-Jahren auf 32 Prozent im Jahr 2021 gesunken ist.

Gerechtes, solidarisches und ökologisches Steuersystem

Rückenwind für die Grundsteuer

Ab 2025 gelten die neuen Regelungen zur Grundsteuer. Diese wurden notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht die bisherige Bewertung aufgrund der veralteten Einheitswerte für verfassungswidrig erklärte. In der Folge hat der Gesetzgeber mit dem sogenannten Bundesmodell ein neues Gesetz geschaffen. Dabei werden in die Berechnung sowohl Gebäude- als auch Bodenwert einbezogen. Jedoch wollte insbesondere das Land Bayern eine solche wertabhängige Bewertung nicht und hat sich erfolgreich für eine Öffnungsklausel eingesetzt. Demnach dürfen die Länder abweichende Bewertungsmodelle nutzen. Vier Bundesländer machen von diesem Recht Gebrauch und haben ein gänzlich abeweichendes Modell entwickelt. Bayern und Hamburg haben sich etwa entschieden ganz auf eine Wertermittlung zu verzichten und besteuern jeden Quadratmeter gleich, egal ob in der Münchner Villengegend oder an der lauten Ausfahrstraße. Baden-Württemberg ignoriert den Wert des Gebäudes und besteuert nur den Bodenwert. In Bundesländern, in denen der Vermögenswert eine Rolle spielt, haben der Eigentümerverband Haus & Grund sowie der Bund der Steuerzahler Musterklagen gegen die Bewertung eingereicht.

Im Oktober hat nun ein Gericht erstmals zum neuen Grundsteuergesetz geurteilt. Gegenstand der Entscheidung war dabei das in Sachsen umgesetzte Bundesmodell mit einer Abweichung bei den Messzahlen. Das Finanzgericht Sachsen hat die Regelungen sowie die sächsischen Sonderregelungen für rechtmäßig erklärt (Az. 2 K 574/23). Die Richter verwiesen dabei auf den weiten Gestaltungsspielraum, den das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber in seinem Urteil vom 10. April 2018 (Az. 1 BvL 11/14) eingeräumt habe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig – die Kläger können also noch Revision einlegen.

Allerdings hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in zwei Einspruchsverfahren im November die Aussetzung der Vollziehung gewährt. Dabei hat das Gericht sowohl Zweifel an der Rechtmäßigkeit der individuellen Grundsteuerwertbescheide geäußert als auch an der Verfassungsmäßigkeit der zugrundeliegenden Bewertungsregeln des Bundesmodells (Az. 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23). Aufgrund der Bedeutung der Rechtssache hat das Gericht die Beschwerde beim Bundesfinanzhof zugelassen. Dies ist allerdings nur ein vorläufiges Verfahren und keine Entscheidung in der Sache, wie in Sachen.

Neue Studien zu klimaschädlichen Subventionen

Passend zur aktuellen Haushaltsdebatte präsentiert das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. (FÖS) gleich eine ganze Sammlung von Studien zu klimaschädlichen Subventionen:

  • Eine Studie mit der Bertelsmann-Stiftung, die Reformoptionen detailliert modelliert und z. B. zeigt, dass eine Reform des Dieselprivilegs mit gleichzeitiger Anpassung der KFZ-Steuer zunächst Mindereinnahmen und ab 2025 Mehreinnahmen von etwa einer Milliarde Euro bringen und bis 2030 im Schnitt 1,7 Millionen Tonnen CO² einsparen könnte. Die Reform würde absolut Menschen mit höheren Einkommen stärker belasten, trifft aber relativ zum Einkommen die Ärmsten am stärksten (1,4 Prozent des Nettohaushaltseinkommens der ärmsten 10 Prozent) und funktioniert deswegen nur mit Ausgleichsmaßnahmen.
  • Eine Kurzanalyse, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Abschaffung der Subventionen, über die die deutsche Bundesregierung kurzfristig entscheiden kann (also z. B. ohne die Kerosinbesteuerung, die auf EU-Ebene entschieden werden muss), Mehreinnahmen von 23,5 Milliarden Euro generieren könnte. Allerdings rechnet die Studie beispielsweise mit 2,8 Milliarden Euro Einnahmen aus dem Dieselprivileg für PKW und modelliert – anders als in der ausführlichen Studie – den gebotenen Ausgleich bei der KFZ-Steuer und Maßnahmen gegen soziale Härten nicht mit.
  • Ein Briefing zur Entfernungspauschale, in dem unterschiedliche Reformoptionen und deren Verteilung modelliert werden. Eine Abschaffung mit einkommensabhängiger Härtefallregelung würde demnach immer noch eine Einsparung von 3,7 Milliarden Euro ergeben, 2,4 Millionen Tonnen CO² einsparen und fast ausschließlich die Menschen mit überdurchschnittlich hohem Einkommen treffen. Der Reformvorschlag des DGB sieht demgegenüber für Menschen mit geringen Einkommen Mobilitätsprämien vor, bringt dafür aber keine Mehreinnahmen.

Weitere Nachrichten:

  • Je ärmer die Menschen, desto unglücklicher sind sie, desto mehr Sorgen haben sie und desto mehr herabwürdigende Erfahrungen erleben sie. So führt laut einer Studie Einkommensungleichheit ultimativ auch zu weniger Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen wie Bundestag, Rechtssystem und Parteien.

Steuerverwaltung und Cum-Ex

Zwischenfazits und verschwundene Laptops im Hamburger Cum-Ex Untersuchungsausschuss

Der Monat November stand ganz im Zeichen des Cum-Ex-Untersuchungsausschusses in Hamburg. Die verschiedenen Parteien haben ihre Zwischenergebnisse zum Thema vorgestellt, ob der Untersuchungsausschuss den Verdacht der politischen Einflussnahme auf den Cum-Ex-Steuerfall der Warburg-Bank erhärtet hat. Die Fazits gehen naturgemäß auseinander. Während die Regierungskoalition aus SPD und Grünen nur einige (teils bereits abgestellte) Defizite bei ihrer Finanzverwaltung ausgemacht hat, hat Die Linke zahlreiche starke Indizien für eine direkte Einflussnahme pro Warburg von Scholz und Tschentscher auf den Entscheidungsprozess der Verwaltung ausgemacht, ebenso die CDU.

Aber der große Aufreger war eigentlich ein anderer: WAZ und Stern berichteten, dass zwei Laptops mit hart erstrittenen Rohdaten aus von der Staatsanwaltschaft Köln beschlagnahmten E-Mail-Daten – unter anderem von der ehemaligen Büroleiterin von Olaf Scholz – verschwunden waren. Der von der SPD ernannte Arbeitsstableiter hatte die Geräte auf Anweisung des SPD-Ausschussvorsitzenden aus den geschützten Räumen des Arbeitsstabs entfernt und wohl über Wochen in seinem persönlichen Büro aufbewahrt. Die Abgeordneten der Opposition waren darüber nicht aufgeklärt worden. Daher steht die Frage im Raum, ob unbefugter Zugriff auf die Daten genommen wurde und inwiefern das überhaupt aufklärbar wäre. Der Warburg-Skandal verliert auch nach drei Jahren Ausschussarbeit somit nicht an Brisanz.

Weitere Nachrichten:

  • Die Warburg-Bank hat mit einer weiteren Niederlage vor Gericht weitere Negativschlagzeilen gemacht: Die Finanzverwaltung durfte laut Urteil des Finanzgerichts Hamburg die lange verjährt geglaubten Bescheide der Warburg-Bank ändern und hat somit erfolgreich hohe Millionensummen zurückfordern können.
  • Eine Studie mit norwegischen Steuerdaten zeigt: Der automatische Austausch von Steuerdaten hat zur Rückführung hoher Geldsummen aus Schattenfinanzplätzen geführt, allerdings nur in Ländern mit starker nationaler Umsetzung des globalen Standards und insbesondere in solchen mit digitalisierten Verwaltungen.
  • Die Musikerin Shakira ist in Spanien wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 14,5 Millionen Euro zu einer Strafzahlung von 7,3 Millionen sowie drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Shakira hatte vorgetäuscht, von 2012 bis 2014 nicht in Spanien zu wohnen und somit dort auch nicht steuerpflichtig gewesen zu sein. Ein zweites Verfahren mit dem Vorwurf einer weiteren Steuerhinterziehung über knapp sieben Millionen Euro könnte für die Musikerin große Konsequenzen haben, da Shakira dort vorbestraft wäre und somit eine Haftstrafe möglich ist.
  • Im Cum-Ex-Skandal schreiten die Ermittlungen der deutschen Staatsanwaltschaften weiter voran. In München wurden zwei Fondsmanager der Finanzfirma Avana angeklagt, die an Cum-Ex-Geschäften beteiligt war. In Frankfurt wurde ein ehemaliger Banker der Fortis-Bank zu einer Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt.
  • Italienisches Gericht beschlagnahmt 779,5 Millionen Euro von Airbnb wegen mutmaßlicher Steuerhinterziehung: Das Unternehmen soll zwischen 2017 und 2021 von italienischen Vermietern fällige Steuern nicht eingezogen und an den italienischen Fiskus weitergeleitet haben.
  • Die Europäische Staatsanwaltschaft schließt das nächste Umsatzsteuerkarussell. Langsam scheint der organisierten Kriminalität eine organisierte Ermittlungsarbeit entgegen zu wachsen.
  • Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will sich aus der Leitung des IT-Entwicklungsverfahrens KONSENS zurückziehen. Wie der Spiegel berichtet, will Lindner die Leitung dauerhaft dem Land Hessen überlassen. Der Bundesrechnungshof kritisiert die Pläne scharf. Das Bundesfinanzministerium “muss die Gesamtleitung behalten”, heißt es in einem aktuellen Gutachten.

Veranstaltungen

  • 18.12.2023 – 18:30 bis 19:50 Uhr: Friedrich Ebert Stiftung – Managerkreis: Staatsfinanzen in der Zeitenwende – Steuer- und finanzpolitische Perspektiven – weitere Infos und Anmeldung unter: https://www.fes.de/veranstaltungen/veranstaltungsdetail/272823
  • 04.12.2023 – 05.12.2023: Global Tax Symposia – u.a. mit folgenden Themen: Pillar II – Challenges of its implementation in developed and developing countries; Wealth Taxation- recent experiences – weitere Infos und Anmeldung unter: https://www.lse.ac.uk/law/research/taxation-global-tax-symposium
  • Am 13. und 14. November fand in Berlin das jährliche Steuerforum der Internationale der öffentlicher Dienst Gewerkschaften (PSI) statt. Im Mittelpunkt standen die internationale Unternehmensbesteuerung, sowie Fragen der Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung und der gewerkschaftlichen Einflussmöglichkeiten. Auch das deutsche Netzwerk Steuergerechtigkeit war mit einem Beitrag zur Erbschaftsbesteuerung vertreten.

Hörens- und sehenswert

  • “Von Ferraris, Tretrollern und Zweiklassenjustiz.” In unserer ersten Sonderfolge des Podcasts Steuergerechtigkeit diskutieren wir die Probleme der deutschen Steuerfahndung mit den Fahnder*innen Werner Stupka und Birgit Orths. Ihr findet die Folge auf allen Podcast-Plattformen und YouTube.
  • Podcast “Erschöpfung statt Gelassenheit”: Christoph Trautvetter im Gespräch mit Kathrin Fischer und mit einer interessanten Perspektive auf Ungerechtigkeit und Steuergerechtigkeit.

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