Nach den Panama Papers
Soll der Skandal nicht verpuffen, müssen Firmenregister endlich
öffentlich werden.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen bei Internationale Politik und Gesellschaft (IPG) und wird hier mit freundlicher Genehmigung reproduziert.
Für zwei entscheidende internationale Reformmaßnahmen ist diese Woche eine
Schicksalswoche. Die Weichen dürften am 16./17. April 2016 gestellt sein,
sowohl für öffentliche Register über Firmeneigentümer als auch für öffentliche
länderspezifische Berichtspflichten für Konzerne. Ihren Vorschlag zu den
Konzernberichtspflichten wird die Europäische Kommission am 12. April 2016
vorstellen, und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat seinen Vorschlag für
„weltweit völlige Transparenz“ in zehn Punkten bereits
konkretisiert. Wenn diese beiden Reformen – öffentliche Register über
Firmeneigentümer und öffentliche Konzernberichte – ordentlich gemacht würden,
bestünden gute Chancen, dass Rechenschafts- und Steuerpflichten künftig wieder
für alle gelten. Leider sind bisher jedoch nur halbherzige Vorschläge gemacht
worden. Sie dienen eher dazu, den „wind of change“ nach den Panama Papers durch heiße Luft zu ersetzen. Nur wenn es
medial und politisch gelingt, halbgare Vorstöße zurück in den Gartopf zu
stopfen, kann verhindert werden, dass auch dieser Skandal verpufft und die
Bevölkerungen Europas und weltweit nur noch ohnmächtiger und wütender
zurückbleiben.
Der rote Faden in den Panama Papers ist die Geheimhaltung, die es den Tätern
ermöglicht, illegale Erträge aus Korruption, Steuerhinterziehung, Drogengeld
und vielem anderen zu waschen. Um der Strafverfolgung entgehen zu können, sind
diese auf Verschleierung angewiesen – häufig, indem sie Briefkastenfirmen,
Trusts und Stiftungen nutzen, die in den meisten Ländern der Welt verfügbar
sind. Vermittler wie Anwälte, Notare, Family Offices und Banken helfen dabei,
diese Strukturen zu errichten und zu verwalten.
Um Geldwäsche vorzubeugen, gibt es internationale und europaweite Regeln,
die den Vermittlern Vorgaben zur Benennung der wahren Eigentümer solcher
Konstrukte machen. Die seit 2005 EU-weit geltenden Regeln zur Feststellung der Eigentümer von
Offshore-Firmen, die in der Europäischen Union Konten eröffnen, Anteile und
Immobilien erwerben wollen, schreiben vor, die wahren beziehungsweise
„wirtschaftlichen“ Eigentümer dieser Offshore-Briefkastenfirmen zu
identifizieren.
Der wirtschaftliche Eigentümer ist die „natürliche Person“, welche die
Rechtsperson tatsächlich kontrolliert, egal wie viele Schichten von
Strohmännern, Briefkastenfirmen oder Trusts zwischengeschaltet wurden (Artikel 3.6, S. 8). Eine Firma aus Panama oder den
Britischen Jungferninseln muss also ihre wahren wirtschaftlichen Eigentümer den
entsprechenden EU-Banken, Anwälten und Notaren gegenüber offenlegen. Verstöße
gegen diese Pflicht werden sanktioniert und können eine Straftat sein.
In der Realität freilich erweist sich diese Pflicht oft als frommer Wunsch.
Vermittler kommen ihrer Pflicht allzu oft nicht nach, und Verstöße bleiben
ungeahndet, weil unentdeckt und schwer zu beweisen. Dies ist die Achillesferse
der Geldwäschebekämpfung. Ohne Öffentlichkeit ist es nicht möglich, die Anreize
so zu setzen, dass wahre Angaben gemacht werden.
In der aktuellen Novellierung der Anti-Geldwäsche-Richtlinie ist vorgesehen,
ein Register der wirtschaftlichen Eigentümer von Briefkastenfirmen einzuführen.
Im November 2014 hat jedoch die Bundesregierung (gemeinsam mit Malta und
Zypern) die verpflichtende Offenlegung dieses Registers verhindert. Die
Veröffentlichung ist erlaubt, aber nicht verpflichtend. Dieselbe Novellierung
der EU-Richtlinie sieht sogar vor, die Eintragung von Scheindirektoren anstelle
der wirtschaftlich Berechtigten zu legalisieren. Damit würden die Register
weitgehend nutzlos werden, denn es ließen sich darin im Zweifelsfall nur
Informationen zur Vorstandsebene finden, die in den meisten Gebieten bereits
öffentlich zugänglich oder von Behörden leicht in Erfahrung zu bringen sind.
Außerdem möchte das Finanzministerium noch immer den Zugriff auf das
Register auf Ermittlungsbehörden und Banken beschränken und nur bei „berechtigtem
Interesse“ auch Dritten partiellen Einblick gewähren. Das soll nach Schäubles
Zehn-Punkte-Plan in Deutschland und weltweit gelten. Zwar soll das Register
„auch entsprechend spezialisierten Nichtregierungsorganisationen und Fachjournalisten offen stehen können“, aber nur, wenn diese
Organisationen ihre Ergebnisse den Behörden zur Verfügung stellen. Damit drohen
diese ihre Unabhängigkeit zu verlieren.
Ferner führt ein derart eingeschränkter Zugriff zu neuer Bürokratie und
hohen Verwaltungskosten. Weil diese Zugangsbeschränkungen „schwer zu
kontrollieren, schwer umzusetzen und kostspielig“ seien, beschloss jüngst das
niederländische Finanzministerium, die Registerdaten öffentlich zu machen.
Damit schloss es sich Großbritannien an, das ebenfalls ein öffentliches
Register einführen wird.
Die wichtigsten Argumente aber für die Offenlegung der Registerdaten sind
die Effekte über Deutschland und Europa hinaus sowie die Qualität der Daten.
Öffentliche Register haben das Potenzial, eine Transparenzwirkung weit über die
EU hinaus bis in notorische Schattenfinanzzentren hinein zu entfalten, weil sie
auch alle Briefkastenfirmen betreffen würden, die sich in deutschen
Handelsregistern als Aktionäre eintragen lassen möchten. Hunderttausende
Offshore-Firmen dürften sich heute im deutschen Handelsregister tummeln, davon
ein guter Teil aus Schwellen- und Entwicklungsländern. Die meisten scheuen das
Licht der Öffentlichkeit. Bleiben diese Daten nur Behörden zugänglich, können
Entwicklungs- und Schwellenländer kaum Nutzen aus der neuen Transparenz ziehen.
Diese sind jedoch die Hauptleidtragenden der gegenwärtigen Intransparenz.
Zudem kann die Verlässlichkeit der Angaben unmöglich überprüft werden. Der
Gesetzesvorschlag aus dem Finanzministerium sieht keinerlei Überprüfung der
angegebenen Daten vor. Wie sollte dies auch in der Praxis möglich sein, wo
schon heute abertausende Anwälte, Banken und Notare mit dieser Pflicht
überfordert sind? Eine neue Monsterbürokratie mit tausenden Beamten wäre
notwendig. Ohne Überprüfung sind sie aber nutzlos, es sei denn, die Daten wären
frei im „OpenData“-Format zugänglich und könnten damit von Falschangaben
abschrecken beziehungsweise sie aufdecken. Das Ausmaß der institutionellen
Korruption ist so gigantisch, dass nur Schwarmintelligenz eine Chance hat, ihr
Einhalt zu gebieten.
Die Bundesregierung muss daher dringend eine Kurskorrektur vornehmen und auf
europäischer Ebene dafür sorgen, dass die 4. Anti-Geldwäsche-Richtlinie durch
das öffentliche Transparenzerfordernis ergänzt und das oben angesprochene
Schlupfloch geschlossen wird. Deutschland könnte das Prinzip der Offenlegung
der wahren wirtschaftlichen Berechtigten auch einseitig umsetzen und
Rechtsgeschäfte mit intransparenten Firmen unterbinden. Die Offenlegung der
wahren Eigentümer könnte als Bedingung auf Eintragungen ins Grundbuch und bei
öffentlicher Auftragsvergabe als längst überfälliges Prinzip eingeführt werden.
Damit könnte Deutschland einem guten Teil des Schadens, der von diesen Firmen
ausgeht, vorbeugend entgegenwirken.
Der zweite Vorschlag betrifft öffentliche länderspezifische Berichtspflichten für Konzerne. Diese
wären der Anfang ernsthafter Bemühungen, Steuervermeidung und illegale
Willkür-Steuergeschenke aufzudecken (wie etwa bei LuxLeaks) und einzudämmen. Diese Berichtspflichten würden
für alle Länder, in denen Konzerne aktiv sind, wichtige Kennzahlen über deren
Wirtschaftsaktivität, Gewinne und Steuerzahlungen offenlegen. Im
EU-Bankensektor gibt es bereits ähnliche Pflichten. Letzte Woche legten
französische Nichtregierungsorganisationen eine Studie vor, die das Ausmaß der
Gewinnverlagerungen anhand dieser Daten aufzeigte. Ein Ergebnis war, dass die
Tochterunternehmen auf den Kaiman-Inseln der vier untersuchten französischen
Banken 45 Millionen Euro Gewinn erzielt haben – ohne einen einzigen
Angestellten. Um solche Untersuchungen auch für andere Wirtschaftssektoren
vorzunehmen, müssten öffentliche länderspezifische Berichtspflichten eingeführt
werden.
Ähnlich wie bei den Firmenregistern droht auch hier, dass die eigentliche
Wirkung der Maßnahme verpufft. Denn die Bundesregierung hat sich offenbar unter
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker weitgehend durchsetzen können. Aus der
durchgesickerten Version geht hervor, dass von diesem Vorschlag nichts mehr in punkto Transparenz zu erwarten sein dürfte.
Entgegen dem Votum des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2015 beschränkt
die Kommission nämlich die Reichweite der Berichtspflichten auf die
EU-Mitgliedstaaten. Für alle Nicht-EU-Staaten, also alle Steueroasen und
Entwicklungsländer, dürfen Konzerne die Daten aller Länder zu einer einzigen
Zahl zusammenfassen. Damit wird Gewinnverlagerungen in Steueroasen außerhalb
der EU eine blickdichte Decke übergeworfen, ebenso wie über die Verluste von
Entwicklungsländern.
Die jüngsten Äußerungen deuten darauf hin, dass die Kommission am 12. April
2016 vorschlagen wird, die Pflichten auf Steueroasen zu erweitern. Dieser
Vorschlag wird jedoch seine Wirkung verfehlen, denn es ist in den vergangenen
25 Jahren weder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (OECD) noch der EU gelungen, eine konsistente Liste von Steueroasen
vorzulegen: zu groß sind die Lobbyanstrengungen der Betroffenen, zu schwammig
die Definitionen. Oder man legt viel zu schwache Kriterien an, wie bei der
innerdeutschen Schwarzen Liste zur Steueroasenbekämpfung, auf der seit über
fünf Jahren kein einziges Land steht.
Nur wenn die deutsche Regierung endlich die Öffentlichkeit ernst nimmt und
als wichtiges Korrektiv angesichts institutioneller Korruption epischen
Ausmaßes ins Boot holt, könnte das nächste Leak ausbleiben.
Ein Kommentar
Jetzt wird klar, warum Schäuble ein öffentliches Register ablehnt (abgesehen davon, dass er Freunde der Partei schützen könnte): Es geht um Standortpolitik und um die Attraktitivät des Standortes für das global zirkulierende Kapital. Die Reichen aus Schwellen- und Entwicklungsländern, die sich "zu Hunderttausenden im deutschen Handelsregister tummeln", sollen hier investieren, hier Arbeitsplätze schaffen, nicht woanders. Mit einem öffentlichen Register würden sofort die dubiosen Quellen der Finanzmittel offenbar und ebenso, dass die Gewinne im Heimatland nicht versteuert werden (was die deutschen Steuerbehörden ja gar nicht interessiert). – Das aber ist sicher keine legitime Form der Standortpflege. Ulrich Thielemann