Neue Studie: “Krisengewinner und die Finanzierung der Krisenbewältigung”
Die Folgen der Corona-Krise und des Kriegs in der Ukraine stellen viele Bürger*innen und kleine bis große Unternehmen vor gewaltige Herausforderungen. Gleichzeitig profitieren einige der größten Unternehmen in enormem Ausmaß von diesen Krisen. Unsere aktuelle Kurzstudie für Martin Schirdewan, Ko-Vorsitzender der Linksfraktion im EU-Parlament, über die Süddeutsche Zeitung und Deutschlandfunk berichten, zeigt Branchen und beispielhafte Unternehmen, die Krisengewinner sind und welche steuerlichen Maßnahmen genutzt werden könnten um sie angemessen an den gesellschaftlichen Bewältigungskosten der aktuellen Krisen zu beteiligen.
Die gesamte Studie findet sich hier: https://www.martin-schirdewan.eu/studie-energiekonzerne-erwarten-kriegsgewinne-in-billionenhoehe/
Die Mineralölkonzerne als Profiteure vom Krieg in der Ukraine:
Grund ist der sprunghafte Preisanstieg von Öl und Gas, der sich relativ direkt in den Gewinnen der großen Öl- und Gaskonzerne widerspiegelt, ohne dass Angebot und Nachfrage sich wesentlich verändern würden. Die Branche ist geprägt von einer recht starken Monopolbildung, da etwa 10 bis 20 große Konzerne über die Hälfte des globalen Öl- und Gasmarkts kontrollieren. So machte Saudi Aramco 2021 global 97,2 Mrd Euro Gewinn. Gazprom und Rosneft, die eine wichtige Rolle für die deutsche Versorgung spielen, erzielten laut Presseberichten bei 29,7 Mrd Euro und 10,4 Mrd Euro.
Die Pharma- und Digitalkonzerne als Gewinner der Corona-Krise:
Einige Pharmakonzerne haben im letzten Jahr durch den Verkauf von Corona-Impfstoffen immense Gewinne gemacht und profitierten von Patenten und staatlichen Hilfsgeldern. BioNTech machte 2021 einen Gewinn von 15 Mrd Euro, Pfizer über 21 Mrd Euro. Pfizer war dennoch äußerst aktiv in Steueroasen und zahlte 2021 effektiv lediglich 7,6 Prozent Steuern. BioNTech nutzt demgegenüber zwar keine Steueroasen, die Präsenz des Unternehmens in Mainz und Marburg führte aber zu einer Senkung der dortigen Gewerbesteuersätze.
Auch die großen Digitalkonzerne konnten in den Corona-Krisenjahren einen immensen Gewinnzuwachs verzeichnen und ihre teils monopolartige Marktmacht noch weiter ausbauen. Die Steuertricks von Google & Co. sind bereits bekannt und wurden in den Krisenjahren eifrig fortgeführt. Die effektive Steuerrate von Amazon auf die globalen Gewinne lag 2021 z.B. bei 12,6 Prozent. Der deutsche Gewinn landet großteils in Luxemburg. In Deutschland zahlte Amazon 2020 lediglich 43 Mio Euro Steuern, ohne Gewinnverschiebung wären schätzungsweise 555 Mio Euro fällig gewesen.
Banken, Automobilkonzerne und Immobilienunternehmen als Profiteure staatlicher Hilfsmaßnahmen:
Die Banken machten, auch dank der günstigen Zinspolitik der Zentralbanken, hohe Gewinne in den Krisenjahren. Beispielsweise die Deutsche Bank, die ihren 2021-Gewinn, der großteils aus dem Investment Banking kam, auf 3,4 Mrd Euro steigerte (im Vergleich zu 1 Mrd Euro im Vorjahr). An fragwürdigen Geschäftspraktiken, wie hohen Bonizahlungen an Vorstände und Mitarbeiter, änderte das wenig.
Auch einige Automobilkonzerne konnten ihre Gewinne im Corona-Krisenjahr 2021 trotz Lock-Down und Lieferkettenproblemen deutlich steigern, BMW z.B. auf 16,1 Mrd Euro (Durchschnitt 2014-2018: 9,6 Mrd Euro). Dabei griffen sie umfangreich auf das staatlich bezuschusste Kurzarbeitergeld zurück. Dennoch wurden 2020 hohe Dividenden an Aktionär*innen ausgeschüttet und für 2021 sind noch umfangreichere geplant. Das Beispiel BMW verdeutlicht zudem, wie gut die Eigentümer*innen großer Vermögen durch die Krise gekommen sind: der Wert der BMW-Aktien der Geschwister Quandt und Klatten stieg im Vergleich zu 2008 um 17 Mrd Euro.
Die Immobilienbranche konnte während der Corona-Pandemie hohe Renditen verzeichnen, während steigende Mieten und Einnahmeausfälle viele Privatpersonen und kleine und mittelständische Unternehmen besonders stark belasteten. Die Zahlungsfähigkeit der Bevölkerung wurde durch staatliche Hilfsmaßnahmen wie Kurzarbeitergeld, Corona-Hilfen für Unternehmen und Erleichterungen bei Hartz-IV sicher gestellt. Währenddessen erhöhte Vonovia 2021 die Mieten um 3,2 Prozent. Von den 5.500 Mieteinnahmen, die schätzungsweise für eine durchschnittliche deutschen Mietwohnung erzielt werden, fließen dabei 2.800 Euro an die Aktionär*innen.
Steuerliche Maßnahmen für eine faire Beteiligung an den Krisenkosten
Aktuell werden verschiedene Maßnahmen für eine umfangreichere Beteiligung der Krisenprofiteure an den gesellschaftlichen Bewältigungskosten diskutiert, darunter Vorschläge für:
- Eine Übergewinnsteuer: Die Linkspartei im Bundestag fordert in einem aktuellen Antrag eine Übergewinnsteuer nach italienischem Vorbild, welche die 2022-Gewinne von Energiekonzernen (die die Gewinne des Vorjahres um über 10 Millionen Euro übersteigen) mit zusätzlichen 25% besteuert. Tatsächlich könnte das italienische Modell als Vorbild dienen, da in ihm nicht die Gewinne, sondern die Umsätze der Unternehmen betrachtet werden. Für einige Unternehmen, wie die großen Energiekonzerne Gazprom und Rosneft, weisen die Tochtergesellschaften in Deutschland nur vergleichsweise geringe Gewinne aus. Eine Übergewinnsteuer auf die verbuchten Gewinne wäre also wenig effektiv. Alternativ zu einer umsatzbasierten Steuer könnten speziell für die Mineralölkonzerne in Deutschland Quellensteuern oder Importzölle weitere Instrumente zur Besteuerung der Krisengewinne darstellen.
- Höhere Mindeststeuern ohne Schlupflöcher: Ein zu niedriger Mindeststeuersatz und umfangreiche Schlupflöcher haben die OECD-Unternehmenssteuerreform („globale Mindeststeuer“) deutlich abgeschwächt und machen sie nicht zu einer geeigneten Maßnahme um die Steuervermeidung von Pfizer, Amazon und Co. zu unterbinden. Höhere und effektivere Mindeststeuern werden benötigt. Mehr dazu in unsrer Studie „Digitalkonzerne zur Kasse bitten“. Auch die Problematik sinkender innerdeutscher Gewerbesteuersätze sollte nicht außer Acht gelassen werden, wie das Beispiel BioNTech verdeutlicht.
- Vermögensabgabe, Vermögenssteuer, Erbschaftssteuerreform und Reform der Abgeltungssteuer: Über die Besteuerung von Unternehmen hinaus sollten auch die Vermögenden, die häufig als Aktionär*inne großer Unternehmen von deren Gewinnen profitieren, an den Krisenkosten beteiligt werden. Dabei könnte eine Kombination aus Vermögensabgabe, Vermögenssteuer, Erbschaftssteuerreform und Reform der Abgeltungssteuer ergriffen werden. Mehr dazu in unserem Jahrbuch Steuergerechtigkeit 2021.
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