Nachdem die Finanzminister im Herbst die Revolution ausgerufen haben, arbeiten die Steueroasen anscheinend erfolgreich an der Sabotage bei der Umsetzung. Eine Grundsatzfrage war schon seit Beginn der Verhandlungen: wer profitiert von den Mehreinnahmen aus der Mindeststeuer? Bisher waren es primär die Länder des Konzernsitzes. Anscheinend auf Druck der europäischen Steueroasen hat die OECD im Dezember 2021 überraschend eine neue Regel eingeführt, welche die Niedrigsteuerländer selbst an erste Stelle setzt. Laut eines neuen Papiers von Devereux et al und einer Analyse der BEPS Monitoring Group ändert diese qualifizierte nationale Zusatzsteuer (QDMTT) die Wirkungsweise der Mindeststeuer grundlegend. Zusammen mit dem substance-based carve-out sorgt die QDMTT dafür, dass Länder weiterhin einen Anreiz haben ihre Unternehmenssteuern in Richtung 0% zu senken oder dort zu belassen. Mit der QDMTT können vor allem die europäischen Steueroasen dafür sorgen, dass ihnen für die von der OECD-Mindeststeuer betroffenen Unternehmen (mit einem Umsatz über 750 Millionen Euro) kein Schaden entsteht. Und wenn sie genug Substanz vorweisen können profitieren auch diese Unternehmen von den niedrigeren Steuersätzen. Dazu passt die Ankündigung aus Irland den Steuersatz bei 12,5% zu belassen und eine Zusatzsteuer einzuführen genauso wie die geplanten Kompensationsmaßnahmen der Schweiz, die in den Worten des Bundesrats dafür sorgen sollen „mehr Steuersubstrat zu erhalten“.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt die BEPS Monitoring Group den Entwicklungsländern sich nach Alternativen umzuschauen. Das Argument leuchtet ein: wenn die USA bei der Umsetzung der Reform eine Extrawurst bekommen, sollten die Entwicklungsländer sie auch einfordern. Die BEPS Monitoring Group schlägt vor, nicht die Gewinne laut Steuererklärung sondern „deemed profits“ zu besteuern, also einen von der Gewinnverschiebung unabhängigen Mindestanteil an der nationalen Wertschöpfung, der z.B. aus den Umsätzen hergeleitet wird; so wie es Großbritannien für die Internetkonzerne oder die USA über ihre 2017 eingeführten Maßnahmen gegen Gewinnverschiebung (BEAT) tun, wie es die UN für digitale Dienstleistungen in ihrem Artikel 12b für neue Doppelbesteuerungsabkommen vorschlägt oder wie es einige Entwicklungsländer (z.B. Pakistan) bereits jetzt schon praktizieren. Mindestens genauso spannend sind die Empfehlungen der BEPS Monitoring Group an die OECD und die umsetzenden Staaten, an entscheidenden Stellen der Modellregeln nachzubessern, zum Beispiel:
Artikel 9.1.3. der Modellregeln soll dafür sorgen, dass konzerninterne Verschiebungen von Vermögenswerten ab Dezember 2021 begrenzt werden. Die BEPS Monitoring Group empfiehlt zurecht hier dafür zu sorgen, dass Microsoft & Co auch für die bereits abgeschlossenen, überteuerten Ankäufe ihrer eigenen immateriellen Güter aus Bermuda & Co in Zukunft keine Verlustvorträge geltend machen können.
Artikel 4 der Modellregeln sorgt dafür, dass die Finanzmanager der Konzerne über die latenten Steuern viel Spielraum zur Manipulation des effektiven Steuersatzes erhalten. Die BEPS Monitoring Group bevorzugt hier die Vorschläge der OECD vom Oktober 2020 (para 295 – 318) vorgesehenen steuerlichen Ausgleichskonten, die eher der jetzigen Praxis entsprechen.