Die Debatte um eine Übergewinnsteuer flacht nicht ab, sodass mittlerweile auch die Bundesregierung und die EU-Kommission Maßnahmen angekündigt haben. Laut einer repräsentativen Befragung im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung befürworten über 70 Prozent der Bevölkerung eine Übergewinnsteuer, sogar 53 Prozent der FDP-Wählerinnen und Wähler. Anfang September einigte sich der Koalitionsausschuss der Bundesregierung – nach langem Widerstand – auf eine “Abschöpfung von Zufallsgewinnen” der Stromproduzenten. Wie genau die funktionieren soll, ist bisher unklar, zunächst sollten Verhandlungen auf EU-Ebene abgewartet werden. Die Übergewinne der Mineralölkonzerne aus dem Jahr 2022 blieben in der Einigung unerwähnt.
Vergangene Woche veröffentlichte die EU-Kommission einen Verordnungsentwurf zur Abschöpfung von Übergewinnen sowohl bei Stromproduzenten als auch bei Mineralölkonzernen. Sie beruft sich auf Artikel 122, nach dem die Mitgliedsstaaten mit qualifizierter Mehrheit sofort und EU-weit verpflichtende Regeln beschließen können. Für Stromproduzenten (außer Gas und Steinkohle) soll demnach mindestens vom 1. Dezember 2022 bis zum 31. März 2023 eine Erlösobergrenze von 180 EUR/MWh für alle Stromtransaktionen gelten. Dieser Preis liegt laut Kommission über den Spitzenpreisen vor der Krise und sei mehr als ausreichend, um die durchschnittlichen Kosten der Produzenten zu decken. Um Bürokratie zu ersparen, sollen kleine Produzenten (weniger als 20kW) ausgenommen werden können. Die Kommission erwartet Einnahmen von 117 Milliarden Euro auf Jahresbasis. Für die Mineralölkonzerne der EU und europäische Betriebsstätten schlägt die Kommission eine Übergewinnsteuer vor. Grundlage sollen die Gewinne aus dem Jahr 2022 sein, die den Durchschnitt aus den vergangenen drei Jahren um mehr als 20 Prozent übersteigen. Der Steuersatz soll mindestens 33 Prozent betragen. Die Kommission erwartet Einnahmen von 25 Milliarden Euro. Im Vergleich zu den Übergewinnen ist das wenig. Ein Grund dafür: Ins Ausland verschobene Gewinne bleiben unangetastet. In unserer Studie schätzen wir allein die in Deutschland erwirtschafteten Übergewinne der Mineralölkonzerne auf rund 60 Milliarden Euro.