Luxemburg als Drehscheibe für schmutziges Geld und unversteuerte Gewinne – drei Kommentare zu den Fragen und Antworten auf #OpenLux
Zusammen mit der französischen Zeitung LeMonde und anderen Partnern veröffentlicht die Süddeutsche Zeitung diese Woche die Ergebnisse von #OpenLux – einer Auswertung aller im luxemburgischen Register der wirtschaftlich Berechtigten eingetragenen Firmeneigentümer. Die heute veröffentlichten Artikel geben einen ersten Überblick über die Ergebnisse und kommen zu dem Schluss, dass das Register lückenhaft und falsch ist und Luxemburg weiterhin als Steueroase und Verschiebebahnhof für schmutziges Geld fungiert. Die luxemburgische Regierung hat noch vor der Veröffentlichung ausführlich auf die gestellten Fragen reagiert und den Vorwürfen erwartungsgemäß widersprochen. Nach erster Analyse der Ergebnisse und der Antworten zeigt sich:
„Luxemburg ist weiter Drehscheibe für schmutziges Geld und unversteuerte Gewinne. Wichtigster Grund dafür ist eine Verwaltung, die trotz der Gesetzesverschärfungen der letzten Jahre die Einhaltung der Regeln gegen Geldwäsche nicht ausreichend prüft und bei der Besteuerung weiterhin alle Augen zudrückt. Deutschland und die EU dürfen und müssen sich das nicht länger gefallen lassen.“
Das Register der wirtschaftlich Berechtigten – eines der besten und offensten der Welt oder voller Lücken und Fehler?
Die luxemburgische Regierung bemerkt zu Recht, dass sie eines der ersten und offensten Register zu den wirtschaftlich Berechtigten in der EU und der Welt eingeführt haben. Dass die Daten leicht zugänglich und auswertbar sind, war Grundlage der #OpenLux-Recherchen. Laut luxemburgischer Regierung ist das Register mittlerweile (nach mehr als 3 Jahren) zu mehr als 90 % vollständig. Wie viele der fehlenden Firmen inaktiv und einfach nicht ordentlich abgemeldet sind und wie viele sich immer noch weigern, sich einzutragen, z. B. weil sie etwas zu verbergen haben oder ihre Flucht vorbereiten, bleibt unklar. Die Journalisten beklagen zu Recht, dass bei etwa der Hälfte der Firmen nicht die Person(-en) registriert sind, denen die Anteile und Gewinne gehören, sondern die Manager, die diese verwalten (und daran meistens ebenfalls sehr gut verdienen). Das liegt vor allem an der EU-weiten Definition von „wirtschaftlich Berechtigten“, die die Eintragung von Managern erlaubt, wenn kein anderer Beteiligter mit mehr als 25 % der Anteile, Stimmrechte oder Gewinnbeteiligungen identifiziert werden kann, was bei luxemburgischen Investmentgesellschaften besonders häufig der Fall ist. Einzelne Beispiele und ein Vergleich mit Daten der US-amerikanischen Börsenaufsicht legen aber den Verdacht nahe, dass Luxemburg die Qualität der Daten bisher nur sehr halbherzig prüft und dass diese deswegen oft falsch sind. Selbst die Investmentfonds, die laut US-Aufsicht weniger als 4 wirtschaftliche Berechtigte hatten, hatten laut einer gleichzeitig veröffentlichten Analyse von Transparency International in fast 80 % der Fälle in Luxemburg nur den Manager registriert. Neben minderjährigen Firmeneigentümern finden sich in den Daten eine ganze Reihe weiterer Fehler. Die luxemburgische Regierung verweist hierzu auf unterschiedliche Definitionen und allgemeine Geldwäscheverpflichtungen über das Register hinaus, bleibt aber die Antwort schuldig wie sie die Qualität der Daten garantiert. Dabei ist eine hohe Datenqualität und strenge Überwachung das zentrale Erfolgskriterium eines solchen Registers. Nur so lassen sich zumindest ansatzweise auch die Firmen abdecken, die nicht freiwillig und von selbst für Transparenz sorgen – weil sie etwas zu verbergen haben.
Im deutschen Transparenzregister fehlen nicht wie in Luxemburg 10 % sondern fast 90 % der Einträge. Das liegt daran, dass das Register zunächst als Auffangregister ausgestattet war und erst jetzt – bis 2023 – auf ein Vollregister umgestellt werden soll. Die ständig wachsende Zahl der Mitarbeiter im Bundesverwaltungsamt ist bisher hauptsächlich damit beschäftigt, Bußgelder und Verwarnungen wegen fehlender Einträge auszusprechen. Automatische Qualitätskontrollen sind nicht vorgesehen. Einzige Hoffnung sind die seit 1.1.2020 verpflichtenden Unstimmigkeitsmeldungen durch Nutzer; die deutschen Behörden hatten bis Mitte 2020 allerdings genau null eingereicht.
Mehr dazu in einer Studie mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung und den Antworten der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage aus dem Bundestag.
Wie man die Datenqualität effizient sicherstellen kann, zeigt Dänemark.
Steueroase oder erfolgreicher Finanzplatz?
Firmen in Luxemburg verwalten 6,5 Billionen Euro vor allem ausländischen Vermögens, fast 15.000 Fonds verwalten 4,5 Billionen Euro. Laut Luxemburg liegt das an der politischen Stabilität, der mehrsprachigen Verwaltung und dem etablierten Finanzplatz mit all den dazugehörigen Dienstleistungen. Doch dieser Finanzplatz ist mit Steuerhinterziehung und Steuervermeidung groß geworden. Als in Deutschland 1991 die Zinsabschlagsteuer eingeführt wurde, flüchteten die wohlhabenden deutschen Steuerhinterzieher in die Schweiz und nach Luxemburg. Als die EU 2005 die Zinsrichtlinie erließ, um Zugriff auf unversteuerte und anonyme Konten von EU-Bürgern in der Schweiz zu erhalten, explodierte in Luxemburg die Neuanmeldung von Firmen, mit denen sich diese Richtlinie umgehen ließ. Als Journalisten 2014 interne Unterlagen einer luxemburgischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft veröffentlichten, zeigte sich, dass die luxemburgischen Steuerbehörden in sogenannten „tax rulings“ jahrelang reibungslos die Steuervermeidungsmodelle der dort niedergelassenen Konzerne anerkannt hatte.
Auf die neuen Vorwürfe antwortet Luxemburg – zu Recht – dass ihr Steuersatz vergleichsweise hoch und die Gesetze zu Datenaustausch und Bekämpfung von Steuervermeidung auf dem neuesten Stand sind. Auch die Zahl der „tax rulings“ ist seit den LuxLeaks massiv gesunken. Aber:
- Die Steueroase Luxemburg funktioniert nicht über einen niedrigen Steuersatz, sondern vor allem über die Regeln, die es Konzernen und Investmentfonds erlauben, die Gewinne weitreichend unversteuert in andere Steueroasen mit niedrigeren Steuern weiterzuleiten.
- Die großzügigen Regeln sind nicht kodiert und deswegen von EU und OECD auch nicht als „harmful tax practice“ erkannt sowie seit den LuxLeaks auch nicht mehr in den „tax rulings“ festgeschrieben. Eine Studie der Grünen aus dem Europaparlament zeigt aber, dass die in den LuxLeaks bekannt gewordenen Modelle weiter bestehen und sich informell auf eine großzügige Interpretation der geltenden Regeln durch die Steuerbehörden verlassen können. Mehr dazu demnächst von unserem Partner TJN. Ein neues Gesetz erhebt ab 1.1.2021 eine Quellensteuer auf Überweisungen an Steueroasen auf der schwarzen Liste – pünktlich zu dem Termin, an dem der Hauptempfänger solcher Zahlungen, die Cayman-Islands, von dieser Liste verschwinden.
Über die vorgeschriebene Einstimmigkeit in Steuerfragen und über Jean-Claude Juncker, der viele Jahre die Steueroase Luxemburg als Finanzminister und Premier maßgeblich geprägt hat bevor er den Vorsitz der EU-Kommission übernahm, hat Luxemburg über viele Jahre europäische Regeln gegen Steuervermeidung geschwächt – gemeinsam mit dem ebenfalls in Luxemburg ansässigen europäischen Gerichtshof. Aber anders als immer wieder gerne behauptet, ist Deutschland dem nicht hilflos ausgeliefert und hat zwei wichtige Hebel:
- Firmeninterne Kredite sind für den größten Teil der Steuervermeidung über Luxemburg verantwortlich. Ende 2019 hat das Bundesfinanzministerium endlich einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der die Freiheit der Konzerne bei der Wahl des Zinssatzes für diese Kredite einschränken soll. Das CDU-geführte Wirtschaftsministerium blockiert diesen Vorschlag bis heute, auch wenn Deutschland mittlerweile wegen einiger anderer verpflichtender Regeln gegen Steuervermeidung in diesem Gesetz sogar Strafzahlungen an die EU riskiert.
- Auf OECD- und EU-Ebene wird aktuell über eine Mindeststeuer verhandelt. Die kann Deutschland zur Not auch ohne Luxemburg umsetzen und sollte sich deswegen auf keinen Kompromiss einlassen, der einen zu niedrigen Steuersatz (derzeit wird über 10 bis 15 % verhandelt) und Ausnahmen z. B. für die Finanzwirtschaft vorsieht. Zwar schränken die europäischen Grundfreiheiten und die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs Quellensteuern innerhalb der EU ein, aber Dänemark hat sich diesbezüglich gerade erfolgreich gegen Luxemburg durchgesetzt.
Geldwäscheparadies Luxemburg?
Firmen mit Verbindung zur russischen und italienischen Mafia, zu einem in Frankreich in einen Korruptionsfall verstrickten Waffenhändler oder zu einem Schwiegersohn vom ehemaligen tunesischen Diktator Ben-Ali – im Laufe der Woche erwarten uns noch eine Reihe spannender Geldwäschegeschichten und auch deutsche Immobilien werden wieder eine Rolle spielen. Dabei handelt es sich bei den jetzt entdeckten Beziehungen nur um die, die sich ihrer Sache so sicher sind, dass sie sich ins lückenhafte und schlecht überwachte Register tatsächlich eingetragen haben. Und trotzdem sind es wieder einmal die Investigativ-Journalisten, die den offenkundigen Verdachtsmomenten nachgehen, während die Akteure des Finanzsystems und ihre Aufseher Gründe finden, warum die Verdachtsmomente nicht ausreichen oder die Hindernisse zu groß sind, um tätig zu werden. Dadurch offenbaren die Enthüllungen einmal mehr, warum Geldwäschebekämpfung weltweit nicht funktioniert und auch 30 Jahre nach Gründung der Financial Action Task Force noch immer deutlich weniger als 1 % der Gewinne aus organisierter Kriminalität jemals entdeckt werden.
Das internationale System der Geldwäschebekämpfung basiert auf sogenannten Verdachtsmeldungen durch Verpflichtete – also Banken, Notare und sogar Autohändler. Eine zentrale Stelle – in Deutschland die Financial Intelligence Unit beim Zoll – wertet diese Meldungen aus und leitet die stichhaltigen darunter an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weiter. Skandal um Skandal zeigt aber, dass die Verpflichteten ihrer Pflicht nicht ausreichend nachkommen und die Behörden viel zu selten erfolgreich ermitteln. Anstatt verdächtige Transaktionen und Geschäftspartner zu melden, berufen sich die Verpflichteten – zu Recht – darauf, dass sie nicht in der Lage sind, Geldwäsche ausreichend zu belegen, und machen lieber weiter ihr Geschäft. Um festzustellen, ob das Geld des Milliardärs hinter dem Briefkasten oder der Investoren im Investmentfonds im Herkunftsland tatsächlich ehrlich verdient und ordentlich versteuert ist, braucht es Einblick in Konten, Steuererklärungen, Hausdurchsuchungen, Kommunikationsüberwachung und lange Gerichtsverfahren gegen Menschen, die viel Geld, gute Berater und politischen Einfluss haben, um diese Verfahren in ihrem Sinne zu beeinflussen. Deswegen schrecken auch die Strafverfolgungsbehörden vor solchen Verfahren – verständlicherweise – fast immer zurück. Um diesen Teufelskreis der Untätigkeit zu durchbrechen, gibt es nur eine Lösung: öffentlichen Druck. Dafür müssen große Vermögen und Geldflüsse weltweit offengelegt werden. Nur so müssen sich die Verpflichteten für ihre fragwürdigen Geschäftsbeziehungen rechtfertigen und nur so bekommen die Strafverfolgungsbehörden in den Ziel- und Quellenländern endlich die nötigen Ressourcen und den politischen Willen, die mühseligen Ermittlungen aufzunehmen.
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