Schweizer Justizskandal um den Hinweisgeber Rudolf Elmer

Wir berichteten in den vergangenen Jahren immer wieder über Hinweisgeber, die unter enormen persönlichen Risiken und hohen Kosten systematisch begangenes Unrecht aufgedeckt haben. Erst kürzlich schrieben wir, warum viele dieser Menschen ein Bundesverdienstkreuz verdienen, statt strafrechtlich verfolgt zu werden (siehe hier). Im Fall Antoine Deltour wurde heute öffentlich (siehe hier und hier), dass gegen das Urteil auf Bewährung in erster Instanz von den Luxemburger Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt wurde und das Verfahren somit in zweiter Instanz nochmals aufgerollt wird.

Nun gibt es im Fall Rudolf Elmers, des Schweizer Hinweisgebers der früher bei der Privatbank Julius Bär angestellt war, eine beachtliche Entwicklung (siehe Vorgeschichte hier und hier und hier). Seit geraumer Zeit entwickelt sich sein Fall immer mehr zu einem Schweizer Justizskandal, der die Zürcher Justiz in keinem guten Licht erscheinen lässt – um es vorsichtig auszudrücken.

Dazu erschien in der Schweizer Sonntagszeitung just ein bemerkenswerter Artikel (hier).

Rudolf Elmer wurde seit 11 Jahren von der Schweizer Justiz verfolgt und saß ein halbes Jahr in Untersuchungshaft. Der Vorwurf gegen ihn lautete, er habe das Schweizer Bankgeheimnis gebrochen – darauf stehen als Höchststrafe drei Jahre Gefängnis. Die letzte Gerichtsverhandlung fand Ende Juni 2016 in Zürich statt (siehe hier).

Dabei stellte sich heraus, dass die Staatsanwaltschaft seit 2009 darüber bescheid wusste, dass Elmer im fraglichen Zeitraum gar kein Angestellter der Schweizer Bank Julius Bär war, sondern seit 1994 bei einer rechtlich selbstständigen Gesellschaft (Julius Baer Bank and Trust Ltd.) auf den Cayman Islands angestellt war. Damit fällt die Anklage des Bruchs des Bankgeheimnisses in sich zusammen: wer nicht bei einer Schweizer Bank angestellt ist, kann auch kein Schweizer Bankgeheimnis brechen.

Diesen Sachverhalt aber blendete die Staatsanwaltschaft für sage und schreibe sieben Jahre lang aus. Sie führte Prozesse weiter und eröffnete sogar ein neues Verfahren.

Doch damit nicht genug. Die Staatsanwaltschaft verheimlichte ihre Erkenntnisse vor den Gerichten und ließ eine Klage Elmers gegen die Bank wegen Irreführung der Gerichte abblitzen.
 
Ein Gastkommentar in derselben Sonntagszeitung (hier) bewertet die Fakten schon in der Überschrift mit einer Klarheit und Direktheit, die Sprengstoff ist in einem Land, dessen Selbstverständnis sich noch immer oft nah am Bild des Vorreiters im Anti-Korruptionskampf orientiert und etwa vom Korruptionswahrnehmungsindex regelmäßig als eines der wenigsten korruption Länder geadelt wird (hier und hier und hier).

Es bleibt abzuwarten, wie und ob die Schweizer Justiz reagiert. Neben der Blamage liegt schließlich der Verdacht der Befangenheit und ungetreuer Amtsführung in der Luft. Eine saftige Entschädigung für Elmer aus Schweizer Steuergeldern dürfte nach der Urteilsverkündung am 23. August ebenfalls nahe liegen.

Es bleibt abzuwarten, ob und wann die Luxemburger Justiz im Zusammenhang mit der Berufung gegen Deltour auf einen ähnlichen Skandal zusteuert.

Korruption ist etwas, das anderswo geschieht. Dieser Auffassung begegnet man
leider auch immer noch viel zu häufig in Deutschland. Dass es aber keinen
Grund gibt, selbstgerecht auf die Schweiz oder Luxemburg zu zeigen, kann man etwa
ansatzweise hier nachlesen (oder hier).

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