"Still Broken" Bericht belegt: Konzerne prellen G20-Staaten um Milliardenbeträge
Presseinformation des Netzwerk Steuergerechtigkeit
Nichtregierungsorganisationen fordern Umbau des internationalen Steuersystems
Berlin, 10. November.
Durch Steuertricks und Gewinnverschiebungen international tätiger
US-Konzerne entgehen den G20-Staaten jährlich Milliarden-Dollar-Beträge.
Das geht aus dem Bericht „Still Broken“ hervor, den die
Entwicklungsorganisation Oxfam am Montag gemeinsam mit dem Tax Justice
Network, der Global Alliance for Tax Justice und dem Gewerkschaftsbund
Public Services International vorgelegt hat. Hinzu kommen bisher nicht
bezifferbare Verluste durch Steuertricks von Konzernen, die ihren
Stammsitz nicht in den USA haben.
Im Vorfeld des
G20-Gipfeltreffens in Antalya, bei dem auch internationale Steuerfragen
diskutiert werden sollen, fordern die Nichtregierungsorganisationen
Steuerschlupflöcher zu schließen und internationale Konzerne zu
öffentlicher länderbezogener Berichterstattung über ihre Einnahmen und
Steuerzahlungen zu verpflichten.
Deutschland verliert bis zu sieben Milliarden Dollar, aber die Hauptlast tragen die ärmsten Länder
Der
Bericht „Still Broken“ zeigt, dass allein international operierende
US-Konzerne im Jahr 2012 zwischen 500 und 700 Milliarden Dollar an den
Steuerbehörden der Länder, in denen die Gewinne angefallen sind,
vorbeigeschleust haben. In Ländern wie den USA, Deutschland, Indien und
China wird der angefallene Gewinn kleingerechnet und in Steueroasen
verschoben. So wurden auf den Bermudas 80 Milliarden Dollar Gewinn
gemeldet – mehr als in Deutschland, Japan, Frankreich und China zusammen
– obwohl dies nicht annähernd der wirtschaftlichen Aktivität dort
entspricht. Während insgesamt die G20-Länder die höchsten Beträge
verlieren, tragen die ärmsten Länder prozentual die höchste Last, weil
hier Unternehmenssteuern einen höheren Anteil des Etats ausmachen. So
könnte Honduras seine Budgets für Gesundheit und Bildung je um 10 bis 15
Prozent aufstocken, wenn US-Konzerne faire Steuern zahlen würden.
Nach
Einschätzung der Nichtregierungsorganisationen gingen Deutschland
durch Steuervermeidungstricks von US-Konzernen im Jahr 2012 bis zu
sieben Milliarden Dollar Steuerzahlungen verloren.
Tobias Hauschild,
Oxfam-Experte für internationale Steuersysteme, kommentiert: „Reiche
und arme Länder werden um Einnahmen betrogen, weil internationale
Konzerne ihre Steuern nicht dort zahlen müssen, wo Gewinne
erwirtschaftet werden. Die Zeche zahlen vor allem die Menschen in den
ärmsten Ländern, weil dort auch deswegen die Staatskasse nicht
ausreicht, um öffentliche Dienstleistungen wie Gesundheit und Bildung
gebührenfrei für alle Bürgerinnen und Bürger bereitzustellen.“
Markus Meinzer
vom Tax Justice Network ergänzt: „Die Steuerreformen, die die G20 diese
Woche beschließen wollen, sind unzureichend und werden die
Gewinnverschiebungen nicht verhindern. Deutschlands oberste Finanzbeamte
nehmen enorme Steuerverluste und Marktverzerrungen in Kauf, nur um
deutschen Investoren in Übersee genau dieselbe Steuerfreiheit zu
garantieren, wie US-Konzerne sie etwa in Deutschland genießen. Obendrein
wollen sie gegenwärtig auf EU-Ebene verhindern, dass das Ausmaß der
Steuerflucht künftig offengelegt werden muss – daran müssen sie
gehindert werden!“
Lisa Großmann vom Netzwerk
Steuergerechtigkeit findet: „Wenn die G20 mit all ihren Steuerrechtlern
und gut ausgestatteten Finanzämtern die internationale Steuervermeidung
nicht stoppen können, ist absehbar, welche Chance arme Länder haben. Die
Voraussetzung für einen gerechten Umbau des internationalen
Steuersystems ist, für eine gleichberechtigte Mitsprache aller Länder
bei der Weiterentwicklung internationaler Steuersysteme zu sorgen.“
Redaktionelle Hinweise
Der Bericht “Still broken: Governments must do more to fix the international corporate tax system” steht zum Download bereit unter http://www.oxfam.de/still-broken.pdf
Die zugrunde liegende ausführliche Studie mit Darstellung der Berechnungsmethode „Measuring misalignment: The location of US multinationals’ economic activity versus the location of their profits” steht zum Download bereit unter: http://www.taxjustice.net/scaleBEPS/
Die
Zahlen beschränken sich auf Konzerne mit Sitz in den USA, weil nur
US-Recht zur Veröffentlichung der relevanten Daten verpflichtet.
Schreibe einen Kommentar